Segelyacht zu verkaufen

Vierwaldstätersee, 28. September 2006, SM

Das Boot steht auf dem Stellplatz herum, vergammelt und nimmt Platz ein. Die Eigner, Herr und Frau Brügel, wollen nicht mehr, können nicht mehr, wobei Gesundheit und Finanzen zusammenspielen. Die Kinder wollen oder können gleichfalls nicht. Der Stellplatz kostet. Die Yacht, dieses treue Stück, muss weg. Das bedeutet Trennungsschmerz. Erinnerungen sind mit dem Kajütboot, für fünf Personen, also die ganze Familie, verbunden : Segelregatten übers Wochenende, Sommerurlaube, Entspannung nach Feierabend, die Ruhe, draußen in der Natur auf dem Wasser.

 Es sind Jahre und mit den Jahren Erlebnisse, die mit dem Schiff gehen. Seit dem es nun aufgebockt an Land steht, heraus ist aus dem See, seit dem der alte Brügel am Freitag Nachmittag nicht mehr hinunterfahren kann in den Yachthafen, wo Frau Brügel schon auf ihn wartete, hat sich einiges verändert in ihrem Leben. Es fehlt ihnen etwas, in etwa so, wie dem Städter der Schrebergarten. Die Yacht war ihnen eine zusätzliche Lebensdimension, ein Tätigkeitsfeld, in dem sich ihnen ein Kreis von Bekannten genauso ergeben hatte, wie so allerlei Arbeiten, die eine Segelyacht mit sich bringt. Sie sind alt geworden, die beiden. Im Grunde verstehen sie nicht, dass die Kinder ihre Yacht nicht übernehmen wollen, mithin, dass das, was für sie so gut war, von ihren Kindern nicht übernommen und weitergeführt wird. 

Das war zumindest das Kartenblatt, das sie Moritz präsentierten, als sie sich zur Besichtigung der Yacht auf dem Bootsstellplatz am Hafen trafen. Er, ein zugewanderter Hamburger, lebte mit Heidi, einer Luzerner Verkäuferin in der Stadt. Auf dem Weg zu seinem Job auf den Seedampfern hatte Moritz das Boot im Vorüberfahren entdeckt. Seine Überlegung war, er könnte das Schiff für einen Appel und ein Ei bekommen, wieder flott machen und so dann verkaufen. Wieso nicht ? Die andere Variante bestand darin, günstig einen Liegeplatz für das Segelschiff zu finden. Ein Jugendtraum, den ihm sein Vater eingegeben hatte. Der See stünde ihnen dann offen, denn außer Seepromenade, Strandbad und den Seedampfern gab es praktisch keinen öffentlichen Zugang zum See, die Ufer befanden sich fast ausnahmslos in Privatbesitz. Moritz´ Überschlagsrechnungen ergaben, er könne es wenigstens probieren. Er hatte in diesem Sommer dreitausend Franken gemacht. Lächerlich angesichts der üblichen Preise für Segelyachten. Aber er konnte es wenigstens probieren, anfragen und in Erfahrung bringen, was die Brügels für Vorstellungen hatten. Er rief am späteren Abend an. Vielleicht hätte er einen kurzen Brief schreiben sollen, um nicht so unvermittelt mit seinem Anruf vor der Tür zu stehen. Doch Herr Brügel verstand sofort, worum es ging. Er zeigte sich interessiert, schweren Herzens, aber doch darauf erpicht, seine Yacht, diesen Ballast aus seinem Leben, loszuwerden. Natürlich sollte das zu einem vernünftigen, einem fairen Preis geschehen. Den wollten Brügels haben. Sie hatten genug Geld in ihre Yacht investiert. Allein die neue Persening, maßgeschneidert, und die vorgeschriebenen Schwimmwesten für jede zugelassene Person, bedeuteten Unsummen, stellten Werte dar, die nun abgeschrieben und verrottend auf dem Müllhaufen zu landen drohten. Vom Außenborder, dem ganzen Segelset von Fock, Sturmfock, Großsegel und Spinnaker ganz zu schweigen, zeigte sich das Ganze nun weniger Wert als die Summe seiner Teile, für die sich aber auch kein Käufer fand. Und der bestimmte den Preis, dachte Moritz. Die Zugkräfte lagen mehr oder weniger klar auf dem Kaffeetisch. Sie hatten sich nach Besichtigung der Yacht in das Cafe anbei zum Gespräch zurück gezogen. Wäre er nicht interessiert gewesen, hätte er gehen können. Moritz blieb. Er wollte hören, welche Preisvorstellungen die Brügels hatten. Mehrmals machte er Ansätze, ihnen zu entlocken, welche Verkaufssumme sie sich dachten. Jedes Mal folgte auf einen dieser Sätze Schweigen. Seine vorsichtig formulierten Anfragen verhallten. Nein, sie würden keine Kaufsumme nennen. Er solle sagen, was er bereit wäre zu zahlen. So kam es denn auch. Frau Brügel passte irgendwann die Gesprächsfolge ab und drehte den Spieß um. Weches Budget stände ihm denn nun zur Verfügung ? Beschämt schaute Moritz zu Boden. Er wusste, dass das, was er zu bieten hatte, nichts war angesichts der Unsumme, die den Wert des Bootes darstellte. Dass er überhaupt es wagte, Herrn und Frau Brügel herabzubitten und ihm ihr Boot zu zeigen. Er hätte sich doch klar sein müssen, dass er, wenn es darauf ankäme, nicht mithalten könnte. 

Schuld war der Bootswerftbesitzer. Er hatte Moritz weiß machen wollen, die Yacht wäre keine 1.500 Franken mehr Wert und, wie sagte er ? : Ich würde dafür keine 1.000 Franken zahlen. Herr Huber, ein gestandener Geschäftsmann und Segler wusste, was er sagte. Der alte Brügel wollte sein Schiff losschlagen, weil ihm selbst die Stellmiete zu viel wurde. Seine Yacht würde dort stehen und verrotten und schließlich hätte er sie zu entsorgen und zwar auf dem Schiffsfriedhof. Wo war der ? Wie ging das vor sich ? Der Punkt war jedoch der, aus der Brügelschen Yacht ließ sich noch etwas machen. Wenn er sie für 1.000 Franken nähme, dann würde er sie über kurz oder lang für ein Vielfaches verkaufen können. Stellplätze hatte er genug. Es fehlte immer nur an Käufern, Mietern und Kunden. Wenn er Moritz also dazu brachte, den alten Brügel in seiner Verkaufsabsicht voranzutreiben, ihn konkreter werden zu lassen, dann könnte er immer noch ein günstigeres Angebot als diese lächerlichen 3.000 Franken abgeben. Mithin war Moritz in diesem Spiel nichts anderes als ein Jagdtreiber auf der großen Jagd des Herrn Huber. Sein Revier lag bestens, vorne am Eingangs- und Ausgangspunkt des Sees. Ja, der See war parzelliert und mit seinen profitablen Pfründen an einige wenige aufgeteilt. Es galt in diesem Spiel ums große Geld und Besitz : Wer am meisten Zeit hat, der hat am meisten Macht, denn letztlich würde derjenige, der übrig blieb am Platze, die Reste einsammeln. Nun denn, lächelte da einer, auch das ist Arbeit.