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Berner Stelldichein

Bern, 29. April 2008, UH

Geküsst und erwacht aus dem Dornröschen Schlaf, so erscheint es, wenn in Europas autonomer Provinz Schweiz an einem Tag der Besuch des UNO Generalsekretärs Ban Ki-moon, die Staatsvisite der deutschen Kanzlerin Angela Merkel als auch die Eröffnungs-Pressekonferenz des World Jewish Congress durch Ronald S. Lauder in der Hauptstadt Bern abgehalten werden. Es sind von einander unabhängige Events, wie sie in den europäischen Kapitalen Paris, London, Berlin Gang und Gäbe sind. Der Schweiz wäre durchaus zu wünschen, dass ihre Attraktivität als ein Platz zunähme, der im globalen und europäischen Gerangel der Konkurrenz um Aufmerksamkeit, Macht und Interessenbeeinflussung Bedeutung hat.

Auf dem Landgut Lohn, dem Gästehaus der Regierung, lässt der schweizerische Bundespräsident Couchepin im stark MerkelKuchpanfranzösischen Akzent keinen Zweifel daran, dass es rein technische Probleme seien, die einer Lösung des Steuerstreits mit der EU im Wege stünden. Auch die deutsche Kanzlerin Merkel äußert sich verhalten zur Steuerfrage, wobei sie ins Reden kommt und ihrer Begeisterung für Fußball und die Euro 08 freien Lauf lässt. Es zeigt sich, dass sich hinter dem öffentlichkeitswirksamen Flughafenstreit andere Probleme bestens verbergen lassen. Der von Israel angefeindete Gasliefervertrag der Schweiz mit dem Iran gehört dazu. Auch Merkel vertritt, wie der außenpolitische Sprecher der SPD, Ulrich Klose, die Strategie, dass dem Iran Angebote als auch Sanktionen deutlich gemacht werden müssen, um ihn von einer atomaren Aufrüstung abzuhalten. Darüber hinaus könnte Aserbaidschan in das Gasgeschäft miteinbezogen werden. Merkel befindet sich auf dem Weg nach Aachen, wo ihr der alljährliche Karlspreis verliehen wird.

Die Pressekonferenz des World Jewish Congress als drittem Großereignis dieses Tages in Bern warf ein Licht auf den jüdischen Weltdachverband. In den Jahren zuvor gab es Skandale innerhalb derer sich zeigte, dass unlautere Geldmitnahmen alteingesessener Funktionäre aufgrund eines Systems der Vetternwirtschaft, das Posten und Pfründe vergab, den Ruf arg lädiert hatte. Es wurde ein anderer Präsident bestellt, dessen Aufgabe erst einmal darin bestand, die Misstände abzuschalten. Wieder handelt es sich mit Ronald S. Lauder um einen Multimillionär, wenn nicht Milliardär. Er gehört zur geschäftsführenden Familie des Kosmetik Konzerns Estée Lauder.

Unsere Korrespondentin Sabrina war ziemlich beeindruckt von der Persönlichkeit dieses Multimilliardärs. In jeder seiner Bewegungen und Worte sah sie das extravagante Flair der Superreichen. Sie verstand nun, dass distinguiertes Verhalten in einer irgendwie abgehobenen, herausragenden Art und Weise bestand, die sich stilistisch in einer den Züricher Bankern als Markenzeichen dienenden Pochette zeigte . Obwohl sich Lauder selbstverständlich und normal gab, war für Sabrina eindeutig klar, dass er der Mittelpunkt, die Hauptpersönlichkeit des Anlasses war und zwar nicht weil er als Präsident des WJC auftrat, sondern weil er mit seinen Unternehmungen und Millionen im Hintergrund über Möglichkeiten verfügte und in Zusammenhänge und Zwänge eingebunden ist, die ihren Horizont bei weitem überstiegen. Es zeigte sich zum Beispiel deutlichst am Schluss der Veranstaltung. Neben ihr hatte ein Journalist von Al Jazeera gesessen und nachdem sie Lauder mit einem längeren Statement angegangen war, die konservative Politik versuche seit Jahrzehnten mit führenden Köpfen des palästinensischen Widerstandes Verhandlungen zu führen, es gäbe diese aber gar nicht, da jede Gruppierung sich als eigenständig begreife und folglich weiter Krieg führe, fühlte sich auch der Al Jazeera Journalist ermutigt, seine Ansichten zu äußern. Er sprach von der Stimmung der Bevölkerung, die unter dem Krieg litt, aber voller Hass nicht an Frieden denken könne. Nachdem die Pressekonferenz vorüber war, ging Lader auf ihn zu und erläuterte ihm seine nächsten Schritte: Er wolle mit Hosni Mubarak, dem ägyptischen Präsidenten, über Friedensmöglichkeiten sprechen. Sabrina war, als sollte der arme Journalist sich nun mehr ins Zeug legen, um ein solches Gespräch mit Mubarak zu arrangieren. Es war der Multimilliardär, der als Präsident des WJC politisch agieren wollte, wobei, angesichts des US amerikanischen Wahlkampfs, er, als Vertreter der Repubs, die nun mehr vor der Abwahl standen, viel weniger Gewicht hatte als ein demokratisch gesinnter Unterhändler. Mubarak würde sich bestimmt nicht auf einen solchen Gesprächspartner einlassen, es sei denn, er hätte substantielle Vorschläge zu machen. In einer politischen Umbruchszeit war davon verlässlich nicht mehr auszugehen. Sabrina erschrak angesichts ihrer kalten Überlegung, die bedeuten würde, dass an Frieden nicht zu denken war.

Im Pressegespräch selber hatte Lauder, der die Angriffe auf die schweizerische Außenministerin Calmy Rey wegen desLauder Gasliefervertrages mit dem Iran vorgetragen hatte, noch einmal deutlich auf die tödliche Bedrohung Israels durch den von Fanatismus geprägten iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad hingewiesen. Es gäbe genügend andere Staaten, die Gas liefern könnten. Der Iran jedoch rüste zur Atommacht auf und ein Mann wie Ahmadinejad war zu allem fähig. Sabrina verstand die Besorgnis im jüdischen Lager sehr, andererseits musste alles getan werden, um die Situation zu entschärfen. Ausgrenzung und Verhärtung schienen ihr dafür nicht die richtigen Mittel. Zudem ging es nicht nur um Israel. Es galt, die Abhängigkeit vom russischen Öl und Gas zu mildern. Der Iran war dazu prädestiniert. Eine Gasleitung, die südlich der russischen Föderation verlief und die kaukasischen Erdöl- und Gasländer erschloss, würde den harten Zugriff Putins auf Europa lockern. Der Iran konnte dies als Chance sehen, seine Interessen wahrzunehmen. Nur, was waren seine Interessen? Die Wahlen im Iran hatten eine Stärkung des regierenden Blocks der Fundamentalisten erbracht. Mit Mäßigung war nicht zu rechnen. Sabrina war ratlos und ging. Aus dem Kopf ging ihr jedoch nicht eine Bemerkung, die Lauder an sie gewandt fallen ließ, als er auf den Al Jazeera Journalisten und sie zutrat: Ebene, sagte er, so, als kommentiere er ihr kritisches Statement bezüglich der Verhandlungen, die seit 60 Jahren nichts gebracht hatten. Wer sie denn sei? Ganz offensichtlich doch irgendeine niederrangige Journalistin, deren Bemerkungen zwar gehört, aber nicht weiter beachtet werden müssten. Genau dieser antiquierte Hierarchismus war es doch, an dem die Verhandlungen scheiterten. Wollte man in der arabischen Welt etwas machen, so hatte das anders zu geschehen.

Bemerkenswert erschien Sabrina die weltweite Verteilung der jüdischen Bevölkerung, die auf rund 13,2 Millionen Menschen, organisiert in jüdischen Gemeinden, geschätzt wird. Mit je 40% gleichauf liegen dabei die 5,2 Mio. der USA mit den 5,6 Mio. Israels. Nur rund 20%, also zwischen 2 bis 3 Mio. Juden, leben in Europa. Der Anteil in Südamerika und dem Rest der Welt ist vernachlässigbar. Exotisch ist, es soll auch schlitzäugige Juden in China geben. Über den US amerikanischen Anteil lässt sich sagen, dass rund 4 Mio. der 5,2 Mio. Juden an der Ostküste leben und davon noch einmal 2 Mio. inKrone New York City, so dass jeder 4 New Yorker ein Jude ist. Solche Zahlenverhältnisse erklären jedoch noch lange nicht den großen Einfluss der jüdischen Mitbürger auf die US amerikanische Politik. Dieser ist wohl vor allem im durchschnittlich höheren Bildungs- und Wohlstandsniveau zu sehen.

Den Abschluß dieses metropolitanen Eventtages in Bern bildete eine letzte Großveranstaltung. Es war die Ausstellung über Karl den Kühnen im Historischen Museum. Dieser reichste Fürst des Mittelalters traf sich 1473 mit allem Prunk in Trier mit Kaiser Friedrich III.. Der Kaiser sollte ihn zum Deutschen König und Nachfolger küren. Augenzeugenbeschreibungen dieses Ereignisses sind übervoll des Staunens über die Wunder von Kunst und Reichtum des Burgunderfürsten. Sie scheinen jedoch historische Raritäten zu sein. Die Verhandlungen selbst scheiterten am Widerstand der Kurfürsten, die sich übergangen fühlten. Bei den Kriegen in Folge verpasste es die Schweiz, Landgewinne zu machen und derart zu einer europäischen Größe aufzusteigen. Vielmehr bildete das Erbe Karls von Burgund die Grundlage des Habsburgerreiches.


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