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Von Gipfeli zu GipfeliVom
Londoner G20 Finanzgipfel über den Strassburger NATO Gipfel zum
Prager EU Gipfel - Überlegungen zur global politischen Situation in
der Finanz-
und Wirtschaftskrise, Strasbourg, 3. - 4. April 2009, DG Im
nach hinein, wenn die Rauchschwaden sich lichten und das Getümmel
der Ereignisse verebbt, zeigt sich, dass die Ameisen, die einen
Elefanten beschreiben, in diesem Fall sich selber als Mitglieder
eines Ameisenvolks erkennen, das die Form eines Elefanten annahm. Der
deutsche, der französische, der US amerikanische Journalist kommen
zu solch politischen Gipfeltreffen, wie sie anlässlich der ersten
Europareise des US Präsidenten Barak Obama abgehalten wurden, aus
ihrem jeweiligen Sprach- und Kulturraum. Sie sind vorgeprägt in
ihrem Denken: die heimischen Medien generieren eine Weltsicht, deren
Fokus auf die Wahrnehmung ihrer Leser zugeschnitten ist. Schon die
vorherige Aussage, es habe sich um Gipfeltreffen anlässlich der
ersten Europareise des US Präsidenten gehandelt, ist strittig. Solch
Events sind von langer Hand vorbereitet, was nicht ausschließt, dass
es eine übergeordnete Planung gegeben haben mochte, drei Politevents
von globaler Bedeutung mit dem Antrittsbesuch des US Präsidenten zu
verbinden. Die Frage ist also immer, was wie von wem gesehen wird
oder: Wie schmeckt der Wein?, wenn es denn überhaupt einer ist, was
voraussetzt, dass Wein von Interesse ist. Mithin ringen Staaten um
Aufmerksamkeit, um Übernahme ihrer Interpretationen, sprich um die
Sicht der Dinge. Mit Staaten sind bei solchen Gipfeltreffen zum einen
die jeweiligen Massenmedien mit ihren Kommentatoren gemeint und zum
anderen die beteiligten Institutionen: White House Press Office, NATO
Pressestelle, Office de la Presse, Bundespresseamt und nicht zu letzt
die Akteure: Obama, Merkel, Sarkozy, Brown, Zapatero und die anderen
Staats- und Regierungschefs mit ihrer Entourage, ihrem Stab, ihrem
Amt. Unvermittelt suggeriert die schlichte Aufzählung dieser
repräsentativen Politikernamen gleichzeitig eine Rangfolge der
beteiligten Staaten und dies zudem mit dem Anspruch auf eine globale
Gültigkeit. Beim Londoner G20
Finanzgipfel und beim Prager EU-USA
Gipfel wäre die Rangfolge nicht nur anders als beim
Strassburger NATO
Gipfel, sondern der nationalstaatliche Blickwinkel
erschiene aufgehoben und ersetzt durch die Pentarchie globaler
Einflußsphären. Wenn die nationalstaatlichen Entitäten scharf
umrissene Einschätzungen erlauben, dann verhält es sich mit den
institutionellen Hervorbringungen der globalen Einflußsphären von
Gebilden wie der NATO, den G20, dem Mercosur, den ASEAN Staaten
geradezu umgekehrt. Im Mittelpunkt der vorliegenden Betrachtung steht der Strassburger NATO Gipfel. Er wurde anlässlich der 60 jährigen Gründung der NATO einberufen, wobei die offizielle Rückkehr Frankreichs in die militärischen Strukturen der NATO einen Höhepunkt bildet. Der
pompöse Aufwand, den die politische Inszenierung mit einem Empfang
des französischen Präsidenten durch die NATO Staats- und
Regierungschefs auf einer Rhein- und Grenzüberschreitenden Brücke
bei Strasbourg betrieb, lässt keinen Zweifel an der Rolle, die
Frankreich im
nordatlantischen Militärbündnis übernimmt. England, das ausgelaugt
von seiner Great Empire Historie einmal
mehr mit dem G20 Finanzgipfel deutlich machte, welche Rolle es
fürderhin spielen möchte, geriet angesichts des
deutsch-französischen Heimspiels dementsprechend mit Italien und
Spanien ins
mediale Abseits. Neben Israel und der Türkei hat es der US Präsident Barak Obama auch in Europa vornehmlich mit konservativen Regierungen zu tun: Sarkozy und Merkel in Frankreich und Deutschland und auch Fogh Rasmussen aus Dänemark, der zum neuen NATO Generalsekretär gewählt wurde, gehören in dieses Lager. Außer einem NEIN, vorgetragen vom türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, scheint es auch vom linken Flügel, weder von Gordon Brown noch von Zapatero, Einwände gegen Rasmussen geben zu haben. Überhaupt zeigte sich, dass auf NATO Ebene eine parteipolitische Perspektive kaum in Ansatz gebracht werden kann. Es überwiegen die traditionellen Gesichtspunkte von Sicherheit und ökonomischer Zusammenarbeit der Vertragsstaaten und nicht parteipolitische Überlegungen der jeweiligen Regierungen, wenn es um die Besetzung vakanter Posten geht, suggeriert die Mainstream Auffassung der Medien. Einzig ein zum Skandal avanciertes Handy Gespräch des italischen Berlusconi deutete darauf hin, dass es im Hintergrund um Postenschacherei ging. Die türkische Zustimmung zum neuen NATO Generalsekretär Rasmussen wurde durch Überlassung des italischen Stellvertreterpostens des Generalsekretärs erkauft. Wenn der Finanz-, NATO- und EU-USA Gipfel vor allem Inszenierungen für den US Präsidenten waren, so vollzog sich die Europareise des US Präsidenten vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise. Sie wird marktschreierisch mit der großen Depression von 1929 verglichen und dem Präsidenten der weltgrößten Ökonomie wird die Rolle des globalen Retters und Motivators zugeschoben. Obama, der Politiker, der für Innovation, für Ideen, für Kraft, für Entscheidungen, für einen Neunanfang steht, der Mann, der den Karren aus dem Dreck zieht, einfach weil er sowohl in den USA als auch in Europa Zustimmungsraten von 80% erzielt, der also die Personifikation der Hoffnung ist und als einziger den von Bush & Co. an die Wand gefahrenen Wagen der Finanzmärkte und der Wirtschaft wieder flott machen könnte, dieser Obama hat natürlich eine herausragende, ja, eine weltgeschichtliche Rolle und Aufgabe.
Vom
globalen Finanzgipfel der G20 in London bis zum NATO Gipfel im
europäischen Strasbourg bis zum EU-USA Gipfel in Prag ist es auf den
Fernsehbildschirmen innerhalb einer Woche nur ein Kameraschwenk. Aus
Obamischer Sicht dürfte diese Europareise jedoch den Grundstein für
eine politische Wende legen: Die USA ist aus finanziellen und
wirtschaftlichen Gründen weder Willens noch in der Lage weiter die
Rolle des Weltpolizisten zu spielen, jedenfalls nicht in dem Maße
wie bisher. Dementsprechend trägt Obama nicht nur eine als
sensationell gefeierte Atomwaffen-Abrüstungsinitiative vor, sondern
erneuert die Forderung nach mehr Beteiligung der Europäer beim
Afghanistan Projekt. Es ist ein geniales Projekt, das sich die
US-demokratische Generalität einfallen ließ angesichts des Abtritts
von George W. Bush. In höchsten Tönen wurde vordergründig für
ein stärkeres Engagement der Europäer geworben. Dessen
militär-strategische Bedeutung dürfte jedoch vor allem darin
liegen, diesem Berg- und Wüstenstaat am Hindukusch eine
Schlüsselstellung zuzuschieben. Eine starke militärische Garnison
in Afghanistan deckt sowohl den Rückzug aus dem Irak, lockt quasi
den islamistischen Widerstand in die Wüste und zeigt sich gegenüber
dem Iran, dem neuen Irak, als auch in Hinsicht auf Russland als
sicherer Brückenkopf,
der alle Möglichkeiten zum Eingreifen offen hält. Dementsprechend
reagierten die Europäer mit Zusagen zur Aufstockung zivilen und
militärischen Personals zurückhaltend wie bisher. Doch auch hierfür
scheint es eine Lösung zu geben: Frankreich, dass nach 43 Jahren
wieder in die NATO eintritt, sieht sich insbesondere der Forderung
gegenüber Aufgaben im Bündnis zu übernehmen und vor allem
Finanzmittel beizusteuern. Um die geht es auch für die Deutschen.
Wenn sie schon nicht mit Truppen ihre Aufgaben entsprechend ihrer
Wirtschaftsgröße wahrnehmen können und wollen, dann werden sie
entsprechende Ersatzleistungen zu erbringen haben. Der alte Wunsch
nach Emanzipation, den der deutsche Militarismus seit Ende des 2.
Weltkrieges hegt, wird hingegen mehr und mehr durch Integration und
Fusion mit den NATO Strukturen erfüllt. Es sind dann nicht mehr
deutsche Einheiten, die am Hindukusch ihre Friedensarbeit und am Horn
von Afrika ihren Piratenkrieg verrichten, sondern NATO Einheiten aus
Deutschland. Mit
der NATO und der Welt des Militärs, also mit einem Denken, dass, wie
im Kalten Krieg, mittels Waffen, mittels Abschreckung, mittels
Verhandlungen, basierend auf Gewalt und Kriegsdrohungen, Erfolge
erzielt werden können, meint einen Weg einzuschlagen, an dem die
vormalige Weltmacht, das British Empire und
sein Nachfolger Großbritannien festhielt,
während es gleichzeitig an wirtschaftlicher Macht und Effizienz
überrundet wurde und danieder liegt. Angesichts der Finanz- und
Wirtschaftskrise zeichnete ein überproportionales Militärbudget im
Verhältnis zur Wirtschaftsleistung genau dieses Bild eines auf
militärischer Macht beruhenden Systems der USA unter George W. Bush. Anhand
der Fernsehbilder von demonstrierenden Gipfel-Gegnern wird die
innerstaatliche Erscheinungsweise eines solchen Militärsystems
sichtbar: der Staat mit seiner überdimensionalen Repressionsmacht
verwandelte London, Baden-Baden und Strasbourg und schließlich Prag
in einen bürgerkriegsähnlichen, von paramilitärischern Polizeitruppen
besetzten Zustand. Die öffentliche Meinung
polarisierte und majorisierte sich hin auf autoritätsgläubige
Ausgrenzung der Protestler. Die politische Elite wiederum inszeniert
unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit strengst kontrollierten
Medien ein Symboltheater vor Rathäusern, auf Brücken und in One-man-Shows. Unübersehbar
bleibt, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise den Hintergrund der
europäischen Gipfeltreffen Anfang April 2009 bildet. Sie ist mithin
eine, in deren Mittelpunkt der habgierige, ausbeuterische
Kapitalismus mit Zentrum in der USA gesehen wird. Manager, die sich
maßlose Erfolgsboni genehmigen, gesellten sich zu exorbitanten
Milliardengewinnen genauso, wie zu Exportüberschüssen und einer
Raubbau-Ökonomie, die die Eiskappen schmelzen lässt, weil es vor
allem die NATO Länder als ganze sind, die mit ihren
Konsumgesellschaften das ökologische Gleichgewicht der Erde
aushebeln. Im Fokus befindet sich also nicht die Finanz- und
Wirtschaftskrise, sondern der Kollaps eines Wirtschafts- und
Gesellschaftssystems, dessen Grundpfeiler zum einen der NATO
Militärapparat und zum anderen die Kontrolle der Finanz- und
Weltmärkte und in zunehmenden Maße die der Standorte der
Produktivkräfte sind, um einmal dieses neo-marxistisch Vokabular
anzuziehen. Was
sind aber die Standorte der Produktivkräfte? Steinbrüche, in denen
die vom industriellen Konsum-Output versklavten Massen im Elend der
Überbevölkerung darben, ja, ums Überleben kämpfen? Was passiert,
wenn diese globale Menschenmasse, vor allem in den reichen Ländern
des Nordens, in Bewegung kommt, um nicht zu sagen in panikartige
Fluchtbewegung, weil die Märkte, die Nachfrage, die Arbeit
zusammenbricht und zwar in einem lang anhaltenden Erosionsprozess,
dessen Symptome: Inflation, Arbeitslosigkeit, Armut,
Versorgungsmangel, Gewalt und Verbrechen zu den ökologischen
Katastrophen der anthropogen verursachten Klima- und Umweltkrise
hinzu kommen? Wie lange dauert der aus der US-Hypotheken- in die
Finanz- und nun in die Weltwirtschaftskrise einmündende
Zusammenbruch schon?, denn er ist noch nicht zu Ende, die Talsohle
ist noch lange nicht erreicht. Vielmehr wird von den Aussichtsposten,
die der G20, der NATO und der EU-USA Gipfel bieten, ahnbar, wohin das
Ganze führen kann: in den Globalkollaps, in die Apokalypse der
Moderne, um die herum sich die Gipfeltreffen ausnehmen wie
gigantische Notoperationen, die zugleich die Strukturen der obsoleten
Finanz- und Wirtschaftsweise von Nationalstaaten freilegen. Ihnen
gegenüber findet sich eine globalisierte, jedoch nicht ökologischere
Wirtschaftsweise, geleitet von einer verdichteten Globalelite, die
allenfalls in Konturen beim Davoser WEF erahnbar ist, hat sie doch noch
keine stabilen
Institutionen und wirksamen Instrumente entwickelt, um die globalen
Probleme der Gegenwart zu lösen. Ob solches überhaupt
erstrebenswert ist, mag dahin gestellt bleiben.
SlideShow mit Eindrücken vom NATO Gipfel
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