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White House Tango 

Kommentar zu einer Tango Einlage anlässlich der ersten Ambassador Reception of US President Obama am July, 27, 2009, DG

Zum ersten Botschafter Empfang von US Präsident Barak Obamas und Gattin Michelle Obama im Weißen Haus, wurden vier Tango Pärchen engagiert, die dreimal im Laufe des Abends „spontan“, zur Musik einer Tango spielenden Militär-Kapelle, einen Tango auf dem Parkett dieses so politischen Hauses darboten. Dem Video im Dogma Stil ist nicht zu entnehmen, ob sie als Eintänzer für die Botschafter und Gesandten in der US amerikanischen Hauptstadt fungierten und ob Mitglieder des Diplomatischen Corps im weiteren Verlauf dieser Ambassador Reception zu tanzen begannen. Freilich setzte so etwas voraus, dass die Mitglieder des diplomatischen Mittelbaus in ihrer Ausbildung, neben der Kunst, ein Hähnchen mit Messer und Gabel zu verspeisen und Tischkonversation während des Essens zu betreiben, ohne dem Gesprächspartner ein neues Farbdesign seines Hemdes bzw. ihrer Bluse zu geben, auch die Fähigkeit vermittelt bekamen, einen der bedeutendsten Gesellschaftstänze der Gegenwart tanzen zu können. Darüber hinaus weiß jeder, der an solchen hoch offiziellen Staatsempfängen schon einmal Teil genommen hat, wie trocken und in historischer Gewachsenheit durchstilisiert sie sind. Die ganze Wucht von Normen und Konventionen eines internationalen Teilnehmerkreises mit Repräsentationspflichten entlädt sich auf diesen Staatsanlässen, um ihre Wirklichkeit und höchste Bedeutung für das Staatsganze zu entfalten.

Das klassische Bild des tanzenden Wiener Kongresses anlässlich der Neuordnung Europas nach den napoleonischen Kriegen, in dem sich noch eine höfische Gesellschaft, resultierend aus dynastischen Erbansprüchen, zur regenerativen Eliteverdichtung der herrschenden Kreise der nachfolgenden Restaurationszeit zusammen fand, verbietet es gerade zu, in der Moderne demokratischer Verhältnisse, Politikevents, seien es G8 und G20 Summits oder UNO Umweltgipfel, allzu sehr mit kulturellen Gesellschaftsaktivitäten wie Tanzbällen zu verbinden. Eine dadurch schleichend herbei geführte Aufhebung der errungenen Trennung von Arbeitssphäre und Privatwelt in der Politik, stellte vielmehr einen Rückfall in jene, durch blutige Revolutionen und Klassenkämpfe überwundene Verhältnisse der Erbaristokratie dar. Sie würde die Grundfesten des modernen Politiksystems geradezu erschüttern. Sachlichkeit, intellektuelle Reserviertheit, kühle Distanziertheit stellen die Werte und unabdingbaren Attribute einer effizienten und auf Vernunft gründenden Politik der Moderne dar. Eine solche kann a priori nur das gepflegte Gespräch und den verbalen Gedankenaustausch als ausschließlich einzige Umgangsform auf dem Hochparkett der Diplomatie zulassen. In demokratischen und sich modern nennenden Staaten würde es zudem eine Zumutung für die Bürger ihres Landes bedeuten, wenn sich ihre höchsten Staatsdiener so offensichtlich auf Steuerkosten zu vergnügen begännen. Die bei Staatsanlässen zur Schau getragene Prunk- und Prachtentfaltung, sei es bei den üblich gewordenen Abendbanketts samt erbaulicher Konzerte, die zudem exclusive der Medien und der Öffentlichkeit abgehalten werden, bedarf gegenüber den Bürgern, dem Rechnungshof und dem Bund der Steuerzahler einer Legitimation, die, weil sie nicht erbracht werden kann, der Arroganz der Macht geschuldet bleibt. Daher gilt, so, wie der Knauserei und der kleinbürgerlichen Sparmoral Grenzen zu ziehen sind, so ist auch dem, was für andere Protzerei und Verschwendung darstellt, ein Rahmen zu setzen.

Dass mit den Obamas ein neuer Wind durchs ehrwürdige Weiße Haus weht, dürfte weltweit spätestens bekannt geworden sein, als Michelle Obama, kaum dass ihre Family das weiße Haus bezog, einen Bio-Garten anlegte und eine Bio-Kost Initiative im Fast-Food-Land lancierte. Ein Blick auf Michelle Obamas Video Gallery im Weißen Haus belegt, die staatstragende Wirkung des Weißen Hauses avanciert Dank First Lady zu einer kulturellen Institution. Wenn vormals das US amerikanische Präsidentenpalais eine hermetisch abgesicherte Liegenschaft der politischen Elite gewesen war, dann erfolgt nun mehr nicht nur eine Öffnung hin zum kulturellen Leben, sondern vor allem die Herausbildung einer staatlichen Vorbildfunktion. Ihre Aufgabe ist es, den politischen Intentionen von „Yes, we can“ und „Change we can belief in“ nachhaltigen Ausdruck zu geben.

Das Weiße Haus als Polittool zur Beeinflussung des politischen und kulturellen Lebens zu begreifen, setzt vor allem auf den zwar langsamen, dafür aber um so nachhaltigeren Trickle down effect des „Alles Gute kommt von oben“, dessen Träger zumeist die Mächtigen, die Reichen und die Prominenten und somit die wenigen sind, nach denen sich die Mehrheit richtet. In einer Zeit, in der die Kirchen auch in einem ausgesprochen christlich orientierten Land wie der USA ihre Funktion als Konsens kreierende Institution mehr und mehr verlieren, kann ein solches Unternehmen jedoch nur ein Tropfen auf einen heißen Stein sein. Nichts desto trotz bleibt zu wünschen, dass auch in anderen Ländern mit anderen Sitten die kulturelle Funktion des präsidialen oder königlichen Anwesens für den Staat wieder entdeckt wird. Skylobby Parties wie für Bankmanager Ackermann erweisen sich jedoch einzig als elitäre Auswüchse einer Politik, die jedem demokratischen Menschen beängstigend erscheinen muss.

Ausgerechnet einen Tango als Novum auf einem Botschafter Empfang aufzuführen, kann nicht ohne politische Spekulationen bleiben. Um jedoch die polit-symbolische Bedeutung des vorgelegten White House Tangos auszudeuten, reicht es nicht hin, die Tanzperformance dieser Washingtoner Tangueros ihrem subjektiven Eindruck nach einzuschätzen. Ohne Zweifel handelt es sich um geübte Tangueros, die ihren Tanz verstehen und zwar in einer Weise, die ihm einen show dance mäßigen Glanz verleiht. Dennoch war mein erster, erst bei wiederholter Betrachtung sich mildernder Eindruck, es handele sich um einen typisch US amerikanischen Tango Stil, der sich durch ein fast brutal anmutendes Reißen der Damen in überdehnte Rücklingspositionen auszeichne. Ob dies ein bewusst herbeigeführter, choreographischer Ausdruck für US amerikanische Führungsstärke sein sollte, lässt allerdings weiter fragen, in wie fern die symbolisch tiefgründigere Botschaft an das Diplomatische Corps darin besteht, angesichts von Wirtschafts-, Finanz- und Staatsüberschuldungskrise mit dem Zaunpfahl zu winken, gegebenenfalls auch eine US amerikanische Variante des argentinischen Staatsbankrotts aufs Parkett legen zu können.

Zumindest bleibt abzuwarten, ob das Tango Experiment mit den Botschaftern dazu führt, bei der Feier (im Weißen Haus?) anläßlich der Verleihung des Friedensnobelpreises 2009 an Barak Obama, einen Milonga Salon anzubieten.



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