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Zur
Zukunft Deutschlands
Life
Stream eines Brainstorms im
Bundeskanzleramt, Berlin im August 2012
von Sabrina Moserbacher
Nach dem gestern
der Kollege Außenminister, Guido
Westerwelle, FDP, auf der alljährlichen
Botschafterkonferenz im Auswärtigen Amt
zur Zukunft Europas parlierte, heute die
Bundeskanzlerin vor distinguiertem
Publikum aus universitären Zirkeln im
Bundeskanzleramt zum Thema der Zukunft
Deutschlands und zwar vor allem aus
sozialwissenschaftlicher, also
psychologischer, pädagogischer,
verwaltungstechnischer, rechtlicher sowie
juristischer bis kriminologischer Sicht.
Wie immer TV gerecht geschminkt, was immer
etwas blass und gepudert wirkt, spricht
die Bundeskanzlerin über ihr neues Buch,
das ihr die anwesenden Experten schrieben.
Es sind
dezidierte Vorschläge, 300 an der Zahl,
die ihr dieser Zukunftsdialog einbrachte.
Erfolgreich soll die Zukunft Deutschlands
sein, so erfolgreich wie das Buch, wie
diese Experten, wie Prof. Henning mit
seiner Frage: Wovon wollen wir leben?,
woraufhin Henning durch Mehrfachnennung
bekannt gemacht, schweigt und anstatt
dessen Frau Prof. Walper, Sabine, weiter
fragt: Wie wollen wir zusammen leben?, an
die sich Prof. Breidenbach mit seiner
Frage hängt: Wie wollen wir lernen?, was
er ganz genau studierte er es bei Henning
guckte es bei Sabine ab, denn Henning
dürfte nicht der KiP Prof. aus Halle heißt
Hennig hört die Bundeskanzlerin, während
sie, das Kinn im Nacken, liest und dann
die Akten unterschreibend weg schiebt sie
andere Gedanken beim Zuhören in der
Familie am Tisch Visionen des
Zusammenlebens der Generationen
solidarischer Gemeinschaften bilden die
Kernzelle ist und bleibt die Familie ist
die Mutter und ihr Kind hat eine Oma ist
der Tenor einer Randerscheinung in
Südafrika sieht man Deutschland in den
Augen Zumas stehen viele Fragen
beantwortet die Intelligenzia, denn Frau
Prof. weiß, wovon sie spricht geschliffen,
rund und sauber wie ein Kinderpopo und ist
sogleich autoritär: Hau!, fordert sie auf,
drohend das Gegenteil meinend, um dann
einzulenken und sich als dumme Gans, als
Blondine, als Brillenschlange über ihre
Fragen, ihre Antworten vertieft zieht sie
über die Bundeskanzlerin her, in deren
Gesicht steht der Finanzminister, was sie
alt und männlich erscheinen lässt, weshalb
die wahre Gesellschaftswährung
„Anerkennung“ Entlastung bringt
Anerkennung ist ein ganz natürliches
Produkt menschlichen Seins und kann doch
von jedem gegeben und genommen werden, wie
das Buch zu diesem Dialog mit einem
Autogramm der Bundeskanzlerin passte es
zur Sammlung meines Onkels und stünde als
Geschenk neben Franz Josef, denn die
Familie, die letzte, die erste Entität
unserer Gesellschaft ist ein
Chemiebaukasten voller Experimente mit
immer neuen Ergebnissen, die erfolgreich
sein sollen und, wie die Branche zeigt,
sind.
Das ist ihr
Moment, sagt der Moderator. Sie dürfen sich
äußern, dürfen der Bundeskanzlerin und der
erlauchten Gesellschaft Fragen stellen.
Schweigen, dann, da, doch einer, den es ins
Licht zieht mit seiner Sache, einer
Langzeitstudie des Entwicklungspsychologen
an der Humboldt Universität. Aufmerksam
guckt die Bundeskanzlerin als wäre sie die
Barbiersfrau aus dem Pancatantra, der die
Nase abgeschnitten wurde, so dass ihr nun
eine SchönheitsOP à la Michael Jackson bevor
steht der akademischen Kollegin, dass der
Beobachter solcher Wahrnehmungen lernfähig
sei unter Bedingungen, die es zu verbessern
gelte und wofür mehr als nur
Anerkennungswährung notwendig sei sie auch,
wenn diese, so Konsens, der treibende Motor
wäre, wobei die Nase zum Näschen wird und
anstupsend bei facebook weiter schnuppert,
was es zu erschnuppern gibt in diesen so
diversen, multiplen und auf komplexeste
Weise verschachtelten Zusammenhängen, die
Tendenzen aufweisen, die von den einen so
und von den anderen so, nämlich von den
einen als Gewalt und von den anderen als
lustvolle Lebensentfaltung erfahren werden,
was der Cambridge Professor aus Erlangen mit
seiner Kohlschen Erfahrung und seinem
kriminal- psychologischen Verständnis nur zu
deutlichst heraus gearbeitet wissen will,
was jedoch dem Kollegen aus den
Verwaltungswissenschaften die Black Box in
Erinnerung bringt, in der aber auch alle
Initiativen totgeschlagen werden, in dem sie
ausgesessen und auf die lange Bank geschoben
werden, um nach erfolgreicher Präsentation
im Nimmernie eines Nirgendwo zu versickern.
Die Bundeskanzlerin guckt interessiert, so
etwas hatte sie noch nie gehört, formulierte
sich doch auf diese Weise eine leise Kritik
an ihrem Führungsstil, der in ihrer
charmanten Art nichts entgegenzusetzen war
außer die eheliche Frage: Wie lässt sich das
mit mir ändern?, denn die Verwaltung war
eine ihrer Herzensanliegen, denn sie waren
das Kernstück der Verhäuslichung für die
ihre emanzipatorische Politik stand und fiel
sie darüber wäre es um sie geschehen, doch
Henning bot ihr hilfreich stützend seinen
starken Arm, denn er war vertraut mit dem
Bundeskanzleramt und dem Nachdenken Wollen
dort wie in anderen Ministerien war seine
Geduld im Ernst an den Grenzen tauchte ein
Bewusstsein für die wirtschaftliche Stärke
der Gesamtgesellschaft in Relation zur
individuellen Wirtschaftskraft auf ging die
Tür, denn das sei der Blinde Fleck, denn die
Selbsteinschätzung und zwar die realistische
im Gesamtzusammenhang, galt es zu schärfen,
was ein Licht auf die Familienunternehmungen
warf und derart eines auf die akademischen
Perspektiven und die handwerkliche
Facharbeit, die es mangels Nachwuchs zu
importieren galt und dem dürften keine
Grenzen und Beschränkungen auferlegt werden,
denn es fehlten die jungen Menschen in den
Hörsälen gähnte Leere, denn sie machten
Kinder im Café plauderten sie über alles
ließ sich reden nur nicht darüber, dass der
Jugendimport, der Studiimport forciert
werden müsse, genauso wie der von
arbeitslosen Spaniern und Griechen, die
natürlich in Konkurrenz zu den hiesigen
Altersgenossen im regionalen Caféraum kämen,
so dass es Spannungen gebe auch bei ihm in
der Familie, denn die Tochter wolle Hindi
lernen und denke gar nicht ans Jurastudium,
womit er seinen Schneeball Effekt erklärte
den die Bundeskanzlerin nur noch ermüdet und
gelangweilt mit einem anerkennenden
Stirnrunzeln hinter der Maske eines
aufmunternden Lächelns durchwinkte, denn
natürlich, der Herr Professor war stärker
und konnte schneller zur Entenkeule greifen,
denn er habe mehr Durchsetzungskraft, so
dass sie nur auf seine Inputs warten könne,
die die Verteilungsfragen klärten, denn die
seien es, was ihre offene Hand belegte,
während ihre Gestik ansonsten weiblich
verhalten das hohe Niveau des erlauchten
Akademikerpublikums unterstrich. Kluge
Menschen und ein attraktiver Moderator an
ihrer linken Seite gestalteten ihr Auftreten
als ein nachhaltig erfolgreiches bei dem sie
diesen Leuten ihre Zugehörigkeit
vermittelte, denn sie hatte von diesen
anerkannt zu sein, um des Zuspruchs des
Bildungsbürgertums in den kommenden
Wahlauseinandersetzungen sicher zu sein
gehörte ein kräftiger Schuss Kritik dazu, so
das ihre Stärke war die Kraft gerade den
christsozialen Arbeitnehmerflügel und die
karitativen Einrichtungen für sich zu
vereinnahmen, so dass nach ca. einer Stunde
der Gesprächsfaden ins Rollen kam und jeder
der hohen, um nicht zu sagen höchsten
Zuhörerin im Saal seine Meinung, seine
Sorgen, wie die des Alterns, des
Schönheitszerfalls, der Gesundheit, des
Sterbens nahe zu bringen suchte, was sie
rührte, denn das Thema des Sterbens, des
Abtretens, des aus dem Arbeitsleben
Scheidens rührte sie und forderte, dass sie
diesbezüglich deutlich machte, sie sei da
und ein Ansprechpartner, eine gebrauchte,
nützliche, hoch begabte und begehrte Mama,
eine Volksmama für die
Schicksalsgemeinschaft, die in der Euro
Krise, in der Staatsschuldenkrise Kaffee und
Kuchen reichte, damit die Herren zu einem
erfolgreichen Ergebnis kämen und das könne
sie doch Dank ihrer Kekse und ihres Tees und
das sei doch ihre Aufgabe und die könne
niemand so gut erfüllen wie sie, oder?,
fragte sie bittend in die Runde aus der ihr
betretenes Schweigen entgegen kam, worüber
sie gekonnt hinweg zu reden wusste, was ihre
Leistungsfähigkeit unterstrich und sie
überlegen ließ demnächst junge
Internetfirmen auf ihrer Terrasse im
Bundeskanzleramt unter dem großen
Sonnenschirm hoch über der Stadt zu
besuchen, um mal etwas aus dieser Ecke zu
hören und zu sehen, was den Informatiker
aufrief von seinen Sorgen in seinem
digitalen Space zu klagen, was die Piraten
im Raum als Hoffnungsschimmer des
Machterhalts glänzen ließ, denn so einfach
sei es nicht sie zur Abdankung zu bringen,
denn sie repräsentiere die größte,
beständigste und stärkste Volkspartei im
Lande herrsche deshalb Ruhe und Ordnung,
Friede und Wohlstand sei mit dir am Ende
beginne der Anfang mit dem Zerfall aller
Parteien, Gewerkschaften und
Kirchenaustritte vaporisierten auch die
nationalstaatlichen Institutionen, so dass
nur ihr Amt bliebe und der Stuhl auf dem sie
sitze sei fest und könne von niemand anderem
eingenommen werden oder sehen Sie jemanden
anderen in meinem Rücken? … Warte!, rief ich
sehe jemanden mit Brutus' Messer ist eine
Standard Assoziation an dieser Stelle Kitsch
und Klischee und sonst weit und breit nichts
und dann allerhand Staub, aufgewirbelt am
Horizont, als wäre es eine größere Masse,
die sich von der hohen Warte sehen lässt,
doch darin niemand und nichts, dass auf die
Höhe ihres Pyramidentempels hin zu ihrem
Stuhle käme bis jetzt sagt der Blick durchs
telegene Rohr in die Ferne und entdeckt
Bauten, Gerüste werden Türme, die die
Gesellschaftskräfte vereinen sich zu einer
Person. Das zu klären, war ihre Absicht.
Zufrieden lehnte sie sich unbemerkt vom
forschenden und experimentierenden
Expertenpublikum zurück. Es gab niemanden.
Super! Spieglein, Spieglein an der Wand, wer
ist die mächtigste im ganzen Land? Und der
Spiegel antwortete: Es gibt den Betrieb des
Lernens, des Entwickelns und des
Weitermachens, als wenn nichts gewesen wäre,
was etwas neues hervor bringt. Nachher, warf
sie ein und ließ absichtlich das
Fragezeichen übertünchen, wodurch es zu
einem herrischen Befehl geriet, der
neugierig aus dem Publikum ergänzen ließ:
Nach der Wahl oder noch vorher?, woran sich
sofort Glaubenskräfte hängten und
miteinander rangen, denn es war eine Sache
des spekulativen Glaubens oder setzen Sie
auf jemanden anderen als auf die
Gastgeberin? Dann nennen Sie den Namen!, was
natürlich nicht ungefährlich war und den
forschenden Geist analysieren und
gleichzeitig antworten ließ, denn es ja ein
gesellschaftlicher Vorgang, der vor allem
die SPD Kandidatenschaft plus der Dame aus
NRW ins Auge fasste, was nun bis zu Hannah
Arendt reichte und bis zu meinem Ich, das
diesen Gesellschaftsprozess begleiten sollte
oder etwa nicht Fragezeichen und eine lange
Erwiderung der Kanzlerin, die sich
gleichfalls mit ihrem Ich – Mist!, fluchte
sie da – gemeint sah, wobei sie humorvoll
und vergnügt lächelte und sprach: Auch ich
war einmal jung und wie Sie voller
Tatendrang und Hoffnung etwas zu erreichen,
etwas zu bewegen. Heute kann ich Ihnen
sagen, ich begleite diese Prozesse, ich
lenke sie mit Kaffee und Kuchen und zwar zum
Schutze der Menschen, wozu vor allem die
Datensicherheit meines Geschreibsels gehört.
Die Kanzlerin war mit dieser langen
Erwiderung, die ziemlich anerkennend durch
die Kraft ihrer Herabwürdigung wirkte, an
ein Ende gekommen, so dass der Herr Kollege
von der Erzeugungsabteilung des kollektiven
Bewusstseins davon schwärmte, ein Feuer zu
entzünden, in dem Klartext gesprochen würde,
Uli horchte auf, es ging um Zertifizierungen
zur Abgrenzung von Pfründen, was einige Gier
angesichts von Möglichkeiten sowie Durst und
Hunger auf mehr sollte gestillt werden von
der Frage, wie es angesichts der
Bewusstwerdung der aufgekommenen
Sachverhalte weitergehen könnte es durch
Verführung, Verlockung, Köderung in Richtung
Diskurs zwecks Involvierung, so dass sie an
der Spitze liegt es sieht gut aus in der
Backform brillieren die Tantiemen der
Exzellenz abschöpfend antwortete die
Bundeskanzlerin, dass man nur vertrauen Sie
mir, auf der Zeitachse ist alles bis zu den
Wahlen gesichert und was dann käme, liege ja
an Ihnen und sollten Sie an den Erfolgen
bemessen, die Sie sich erarbeiten, was für
Ihre Begleitungsarbeit eine gewisse
Selbstverpflichtung bedeutet und ins
Wahlkampfbudget gehört Beifall, wenn denn
alle fleißig an der Schicksalsgemeinschaft
weiterarbeiten, die die, so hob sie hervor,
Selbsteinschätzung im europäischen
Gesamtkontext besser, realistischer, genauer
werden ließ und damit dürfe es nicht stehen
bleiben, sondern würde zu effektiveren
Einsichten führen, was nichts mit
spekulativen Glaubenskräften zu tun habe,
denn die seien marginal und von keiner
Bedeutung und ohne große Effekte weder an
der Börse noch auf dem Bankkonto noch im
Bett funtionere es, was sie bedauere sich
aber mittels Viagra, Klartext, lösen läßt,
ließe sie von ihrer Negativkraft ab, die im
Winter viele Menschen nicht auf die Straße
ließe, weil sie sich nicht trauten und
deshalb Antidepressiva nötig mache und eine
Herbst nahe Ausbildung nahe lege, womit sie
aus dem Nähkästchen plaudere, denn auch für
Krebs gebe es eine Prophylaxe, wie eine
Studie aus Heidelberg belege, habe die
Kriminalforschung gezeigt, es gehe anders,
wenn der Knast regider und die
Familienerziehung strenger und das Recht auf
Arbeit abgeschminkt würde sie nachher vor
dem Spiegel täten sie es ohne die Wirtschaft
zu überfordern, was eine ganz wichtige VIP
Wachstumsfrage für die Bürger ist der
Klimawandel und das Grönlandeis wichtiger
als akademisches Ringelpietz, weshalb sie zu
einem Ende käme, das durch nachhaltige
Wirtschaftlichkeit, Energiewende und wovon
wollen wir leben Themen wie
Sozialpartnerschaft und Assets offene Fragen
über Fragen generiere und den Generator zur
Energiegewinnung in den Kühlschrank
transponiere, denn der sei die Schnittstelle
für die Akzeptanz, die die Hürde für die
Begründungsnotwendigkeiten seien doch gar
nicht über die Landschaft gestolpert auf
Krüken nach dem Krieg und der Schlacht
hätten die Krähen die Herausforderung gegen
gecheckt und im Verwaltungsprozess besser
kommuniziert, damit die Bürger und
Bürgerinnen daneben sitzend dabei sein
können sie per Internet im Lifestream dank
Vernetzung ergibt sich der Wahlslang, der
bei jedem ankomme und aus dem großen Korb
der Wahlgeschenke habe sie für jeden etwas
ins Mehrgenerationenhaus gleich EplusHaus
lege sie auch für mich eine besondere
Rendite, sagte die Bundeskanzlerin ist auf
der EuroKonferenz machen wir das so wie
immer haben sie aufgegriffen, was es zu
greifen gab stand im Newsletter der
Experten, die immer noch zu hören waren, was
sie von Canabis blubberte, um im online
Dialog zu punkten braucht es Twitter bringt
höchste Einschaltquoten, denn sie wissen ja,
wir brauchen andere Kaliber, Größen, was
ganz und gar nicht herabwürdigend zu
verstehen sei, sondern realistisch, was
Henning zu den Abschiedsworten verleitete,
es sei ein Benchmark gesetzt worden über und
unter das nicht mehr zu kommen sei und man
sehe sich beim Empfang bei einem Kaffee im
Kanzleramt und kommen Sie wieder, es hat uns
gefreut, Danke, Applaus, aufstehen, raus,
geh!
Autogrammstunde
Schon vor dem
Betreten des Saals im Bundeskanzleramt sah
Uli einen Tisch auf dem das Buch zum
Expertendialog in Türmen aufgestapelt
auslag. Kaum war die Abschlusskonferenz
vorbei, strömten die Wissenschaftler aus
dem Saal und binnen kurzem waren diese
Buchtürme mit Freiexemplaren vergriffen.
Uli zögerte, ob er sich auch eines nehmen
sollte. Er war im Zwiespalt, denn was
interessierte ihn das Gerede dieser CDU
Bundeskanzlerin und der vor ihren Karren
gespannten Akademiker. Er fand, sie sollte
so schnell wie möglich aus dem
Bundeskanzleramt verschwinden. War es
insofern Verrat an der eigenen Sache, wenn
er sich jetzt schnell noch eines der übrig
gebliebenen Bücher nahm? Beförderte er
womöglich durch sein derart zum Ausdruck
gebrachtes Interesse ihre Wiederwahl? Es
galt, sich nicht so wichtig zu nehmen.
Andererseits, er war sich selber
bedeutsam.´Ohne weiter nachzudenken
handelte er. Wie so oft in solchen
Situationen war sein Tun gleich einer
Entscheidung – er nahm sich eines der
restlichen Bücher. Erst packte er es in
seine Aktentasche, dann sah er eine
Menschentraube vor dem Südausgang und
wusste, was zu tun war, aber er wollte es
nicht. Alle möglichen Argumente listeten
sich in ihm auf, das, was zu tun war,
nicht zu machen. Ihm war klar, in der
Menschenmenge schüttelte die Kanzlerin
Hände und fand freundliche Worte für
jeden, der sich ihr näherte. Es war der
Empfang nach dieser Konferenz. Nun gut, er
gab sich einen Ruck, holte das Buch wieder
aus der Aktentasche hervor, stellte diese
am Saaleingang ab, sich dessen gewiss,
dass an diesem Ort und von diesen Menschen
kein gemeiner Diebstahl zu erwarten war,
und schritt Richtung Menschentraube. Es
handelte sich wahrlich um ein gediegenes
Publikum. In Grüppchen standen sie
miteinander im Gespräch, während die
Kanzlerin von einer Gruppe zur nächsten
Schritt, dabei fortwährend im Gespräch, so
dass sich die Gewissheit unter den
Anwesenden verbreitete, sie würde auch zu
ihnen kommen. Insofern sah sich Uli mit
seinem Anliegen als Eindringling, als
Störenfried, als außergebührlich aus der
Reihe tanzender, als jemand, der sich mit
einem besonderen Interesse Vorrang
verschaffte und andere beiseite drängte.
Er zögerte, stand wartend abseits mit dem
Buch in der Hand, sah, wie die Kanzlerin
zu einer nächsten Gruppe überwechselte und
zwar auf ihn zukommend. Er fühlte sich so
schlecht. Wie konnte er nur auf diese
Frau, von der er hoffte, dass sie alsbald
ihr Amt abgab, zugehen und sie bitten,
eine Widmung in ihr Buch - zumindest
prangte sie mit einem telegenen Lächeln
vom Umschlagbild - zu schreiben, nicht für
ihn, sagte er ihr, während sich aus dem
Hintergrund eine andere Frau mit dem
Ausruf hinzudrängte, auch sie habe diese
Idee gehabt, als er der Kanzlerin nach
einem Zögern, ob er es denn tun sollte,
die Hand reichte, die, gleichfalls
zögernd, ihm entgegen kam und sich darum
als ein kraftloses, unverbindliches,
bedeutungsloses Patscherchen in die seine
legte, wobei ihm schien, sie ahne, dass er
falsch und heuchlerisch um ihren
Gunstbeweis herumschleiche, denn ihm war,
sie schaue ihm in sein Herz und wisse
darum, wie es mit ihm stehe. Schon wollte
er ihr seinen Stift für die Widmung
reichen, doch, als wenn sie einen solchen
von ihm ablehne, griff sie lieber zu einem
anderen, der ihr mit freundlicher
Aufmerksamkeit von einem der dabei
stehenden Herren gereicht wurde. Sie
schwamm in wohlwollender Aufmerksamkeit um
sich her und hatte sich wahrlich um nichts
weiter zu kümmern. Sie signierte, was Uli
natürlich zu wenig war, denn er wollte
eine Widmung, sie resignierte, als er bat,
ob sie das Buch seinem Onkel, Herrn
Kiechermann, widmen könne. Also schrieb
sie denn: Für Herrn Kirchmann, was der
schlechten Akustik, seiner schlechten
Aussprache und seiner Feigheit geschuldet
war, sie zu korrigieren, was ja auch
nichts geändert hätte, denn schon stand es
da und ehe sie mit Ungeduld drohen konnte,
zog er es vor, sich unter
Dankesbekundungen, die zu anderen Zeiten
mit tiefsten Verbeugungen einhergegangen
wären, aus ihrem unmittelbaren Dunstkreis
zurück zu ziehen, wobei er nicht schlecht
staunte, einen Druck und leisen Schmerz
auf seinem Herzen zu verspüren. Was war
das? Die Strafe für seine Falschheit, für
sein heuchlerisches Verhalten? Er sollte
doch wissen, dass es ihm nicht gut täte,
sich jemandem unter der Tarnkappe
freundlicher Gesonnenheit zu nähern, wenn
sein Herzensanliegen doch das glatte
Gegenteil war. So mache er sich nur zu
einer falschen Schlange, schimpfte es in
ihm, nämlich zu einem Wurm, einem
Bücherwurm und dabei wisse er, dass er
eine Schlange sei, eine gefährliche
Schlange, die, wenn sie zubisse, Mäuse,
Ratten und kleine Häschen töte.
Insbesondere letztere seien doch ein
Leckerbissen, spottete es in ihm weiter,
während er sich erst an den Rand der
umstehenden Grüppchen und dann zum Buffet
hin absonderte, seine fragwürdige Beute
kritisch beäugend, weil sie ihm nämlich
ein ziemlich schlechtes Gefühl eingab.
Aber was war das für eines? Der innere
Beobachter hatte ihn genau gesehen, hatte
ihn ertappt mit seinem Geltungsstreben,
mit seiner Gier nach Anerkennung, mit … es
war eigentlich belanglos, wobei und womit.
Sie hatten ihn ertappt, gesehen, bloß
gestellt und alle wussten es, was, war
gleichfalls egal. Es war eine Kanonade von
Schimpf und Schande, die in diesen
Momenten über ihm nieder ging, ziemlich
vernichtend. Hinterher bemerkte er, dass
dasselbe Phänomen schon bei der Annäherung
um die Kanzlerin wie ein fester Ring um
sie herum angelagert war. In seiner
Ich-Bezogenheit hatte er den Leuten, die
dort in Gesprächsgrüppchen so taten, als
sei es das selbstverständlichste sich im
Bundeskanzleramt nett zu unterhalten, tat
man es doch oft genug auch woanders nach
und vor Konferenzen, Premieren und auf
Empfängen, keine Beachtung geschenkt. Er
hatte diesen Menschen keinen Einfluss auf
seine Befindlichkeit zugebilligt, weil er
sie pauschal als Parteigänger der CDU
Kanzlerin verbuchte. Wahrscheinlich war
dem nicht so. Vermutlich liefen im Foyer
noch ganz andere Filme ab und die
jeweiligen Stars hießen Gier, Neid,
Ruhmessucht, Mittelpunktstreben, Machtgier
und Ehrgeiz. Nur mühsam wurden sie in
Schach gehalten von ein paar vernünftigen
Kräften wie Ehrlichkeit, Offenheit und
Selbstvertrauen, ganz zu schweigen von der
Liebe zu den Menschen, diesem zänkischen
Geschlecht.
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