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Neujahrsverdichtungen

Kaisersaschern, Berlin, Anfang Januar 2013, DG

Neujahrsverdichtungen auch in Kaisersaschern, denn der OBM, Dr. h.c. Adam Weiler, hatte es fertig gebracht, wie, das war unserem Welten online Journalisten Uli Hartmann nicht nachvollziehbar, in seiner mitteldeutschen Provinzhauptstadt einen hochrangigen Neujahrsempfang zu organisieren. In einem Pressevorgespräch wurde angekündigt, neben den MdBs und den MdEs, den Bürgermeistern, Landkreis- und Bezirkspräsidenten der Region, sprich den Politfürsten im Einflußbereich dieser mitteldeutschen Metropole, hatten sich gar Botschafter aus der Hauptstadt Berlin und Minister aus Dresden angeküdigt, hinzu kämen die Größen der ansäßigen Wirtschaft und sogar einige bundesweit bekannte TV Prominente, soweit sie in der Einflusssphäre der Intendantin der Landesrundfunkanstalt stünden und das waren doch ein paar, zumindest einer. Der Grund für diesen herausragenden Event läge darin, so erklärte der persönliche Referent des OBMs, das nun mal nicht nur in Kaisersaschern der Wahlkampf tobe, sondern Kaisersaschern ein repräsentativer Schauplatz der auf die Bundestagswahlen zusteuernden Auseinandersetzungen sei. Dass selbst die Vertreter ausländischer Nationen, sprich das diplomatische Corps, nur jede Möglichkeit wahrnähmen, ihre verhaltene Unterstützung für die eine oder andere Seite durch Anwesenheit zur Geltung zu bringen, zeige, dass Deutschland im Rahmen der EU ein bedeutsames Gewicht zukomme. Daher die Botschafter Frankreichs, Polens, Tschechiens und Österreichs auf der einen und Englands, Spaniens und Schwedens auf der anderen bei diesem Empfang im altehrwürdigen Rathaus der Stadt. Das sei trotzdem ungewöhnlich und unerklärlich, merkte Uli an. Es entspräche ganz und gar nicht dem Stellenwert dieses Provinznestes. Der OBM könne sich mit solch einem Event wie ein Kind aus der Taufe ins Rampenlicht der bundesdeutschen Öffentlichkeit gehoben vorkommen. Wenn er so weiter mache, stünde ihm noch einiges bevor, er könne gar seinen OBM Vorgänger, der es vormals bis zum Ministerpräsidenten gebracht habe und trotz seiner Abwahl eine maßgebliche Parteigröße der Sozialrepublikanischen Allianz geblieben wäre, überflügeln.

Na das habe doch andere Gründe, dass der Kaltenbrunner solch eine zentrale Figur für die Sozialrepublikanische Allianz wäre, meinte der Kollege vom Kaisersascherner Volksblatt. Die haben doch sonst niemanden mehr.

Das informelle Vorgespräch fand anläßlich eines der Unternehmensbesuche des OBMs vor dessen Eintreffen im Unternehmen statt. Überhaupt gab es keine offizielle Presseeinladung zu dem Neujahrsevent, was bewies, die wirklich bedeutsamen Ereignisse waren nicht nur die, bei denen die maßgeblichen Leute miteinander ins Gespräch kommen konnten, sondern diejenigen, die unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfanden, in etwa wie bei der Bilderberg Konferenz.

Wie immer bei den Wirtschaftsbesuchen des OBMs von Firmen aus Kaisersaschern hatte sich eine bereit erklärt, ihre Tore für den hohen Gast aus der Politik zu öffnen. Bei dem Unternehmen handelte es sich um ein mittelschweres Software House im Kometenschwarm der SAP, die bit&beit GmbH&CoKG mit 500 Mitarbeitern. Man verstand sich als Speerspitze der KMUs, der kleinen und mittelständischen Unternehmen. Dem politischen Chef der Stadt sollten diesmal gewisse Forderungen aus dem Unternehmer- und Arbeitgeberlager repräsentativ von der Geschäftsleitung vorgetragen werden.

Die Geschäftsleitung, ein Pärchen, dass sich noch zu Zeiten der DDR in einem Kombinat der Schwerindustrie in leitender Funktion kennenlernte und ihrem Glück während der Wierdervereinigung das Kindlein dieser Hight Tech Firma gebar, hob sich altersmäßig entschieden von ihren jüngeren Mitarbeitern, Informatikern, Programmierern und Entwicklern ab. Der Pressereferent und der Marketingchef, der Sohn der Chefin und des Chefs, sowie drei weitere Mitarbeiterinnen der Geschäftsleitung vervollständigten das Empfangskommitee. Von der Seite der Stadt war neben dem OBM Referenten der Leiter der Wirtschaftsförderung, Herr Samer, anwesend. Das Anliegen städtischer Wirtschaftsförderung war damit deutlich. Kaum traf der OBM ein, entspann sich ein Gespräch, das die Geschäftslage der bit&beit darlegte. Mit zwei Hauptprodukten machte man dem Marktgiganten für Geschäfts IT, der SAP, Konkurrenz. Zum einen ging es um Archivierungssysteme, zum anderen um die elektronische Personalakte. Heraus kam, zwar hatte die bit&beit ihren Hauptsitz in Kaisersaschern, die Berliner Zweigstelle brachte aber das große Geschäft, ja, es war unabdingbar in der Hauptstadt eine Dependance zu betreiben. Eigentlich war es nur der persönlichen Vorliebe der Geschäftsleitung geschuldet, die widerum auf die Präsidentschaft in einem der Fußballclubs des Inhabers zurück zu führen war, dass die bit&beit in Kaisersaschern verblieb. Ob der Sohn als vorgesehener Nachfolger der beiden den Firmensitz in die Weltstadt verlegen würde, stand zwar noch in den Sternen, doch es wurde deutlich, dass weder der OBM noch der Vater wenig von solchen Zentrifugalkräften Richtung Berlin hielten. Insbesondere der Vater lag dem OBM damit im Ohr, es sei Pflicht und Aufgabe der Politik und somit des OBMs, die lokale Wirtschaft bei der Auftragsvergabe nicht nur im Zweifelsfall zu bevorzugen.

An dieser Stelle wäre Uli am liebsten vorgeprescht. Eine freischaffende TV Kollegin hatte ihm von der Vergabepraxis der neuen Landesfernseh Präsidentin erzählt. München und Köln würden von ihr bevorzugt und das zarte Pflänzchen der Film- und TV Szene von Kaisersaschern ginge den Bach hinunter. Aber das war die Landesebene und zumal Sache einer öffentlich-rechtlichen Anstalt auf die der Oberbürgermeister keinen Einfluß hatte. Dennoch, der Lokalpatriotismus brach sich Bahn und schien dem OBM gar zu schmeicheln, ohne aber dass er sich nun aufgeschwungen hätte diesbezüglich Öl ins Feuer seines Wahlkampfs zu gießen.

Einen Tag später, Berlin, Schloss Bellevue, unsere freie Korrespondentin Sabrina Moserbacher beobachtete den Neujahrsempfang des Bundespräsidenten Gauck und seiner Lebenspartnerin! (Ausrufezeichen), Frau Daniela Schadt, das Defilée der ehrenwerten Bürger. Die Bühne ist das Parkett vor dem Fenster zum Park, gesäumt von zwei grauen Marmorsäulen, die quasi für den Bundespräsidenten und dessen Lebenspartnerin stehen und in deren lächelnder Mitte die gehrten Bürger sich photogen vor der knipsenden und filmenden Presse verewigen dürfen. Die Liste der aufgelisteten Herrschaften durchgehend, erscheint neben einigen, wegen ihrer Verdienste und ihres Engagements geehrter Bürger, vor allem die staatstragende Elite und zwar in persona die Vorsitzenden und Präsidenten von Akademien, Verbänden, Stiftungen, NGOs und Bünden. Mitsamt handelt es sich bei diesen Herrschaften um die Besoldungsstufen B7bisB12. Das ist also die Republik vom Kopf her betrachtet, konstatierte Sabrina. Aufgelistet und nach Sparten sortiert: Wirtschaft, Militär, Wissenschaft, Kunst, NGOs, Recht, etc., findet sie sich einmal im Jahr zum Neujahrsempfang beim Bundespräsidenten ein. Der Berliner Bundespreeseball lieferte dem gegenüber nur ein mehr auf die TV Promis fokussierendes Bild. Doch der bundespräsidiale Neujahrsempfang hatte neben dem Pomp und der Machtpräsentation eine bedeutsame Funktion: In einer grundsätzlich um das Regierungsamt streitenden Demokratie sollte der Bundespräsident die Einheit des Landes über die gegeneinander konkurrierenden Interessen hinweg symbolisieren. In einer zunehmend zersplitterten und sich von den großen Volksparteien verabschiedenden Gesellschaft verzeichnete sein Amt daher einen signifikanten Machtzuwachs. Er zeigte sich freilich außerparlamentarisch, in Form gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen, die zum Beispiel darin bestanden, dass Frau Schadt als offizielle Lebenspartnerin des Bundespräsidenten und nicht mehr als formell angetraute Gattin neben dem Staatsoberhaupt die Gäste begrüßt. Vor Jahren hätte das noch einen Skandal bedeutet. Besonderes Gewicht erhielt dies durch den Umstand, dass Gauck, ein ordinierter Pfarrer, als ein Kirchenmann anzusehen war. Die Begrifflichkeit Staat und Gesellschaft ließ sich durch ihn einmal mehr auf die Begrifflichkeit Staat und Kirch´ präzisieren, dennoch erschien Gauck nicht katholisch klerikal, nicht zu letzt wegen der Frau an seiner Seite, überlegte Sabrina. Inzwischen war die Kanzlerin samt Kabinett erschienen, man reihte sich zum Abschluss des Defilées zum Galafoto auf: Bundespräsidentenpaar samt Regierung. Wenn es unter Johannes Rau noch üblich war, dass sich der Bundespräsident unter seine Gäste mischte, so war das in diesem Jahr nicht mehr üblich, vielmehr noch Gauck und Gefährtin entschwanden in den Nordflügel des Schlosses, so als hätte die Regieanweisung der Protokollchefin für diesen Anlass gelautet, er habe seine Pflichten als Staatschef und Gastgeber erfüllt und dürfe, könne, solle, müsse sich nun zurück ziehen, denn derart überließe er den im großen Saal des Südflügels versammelten Gesellschaftskräften ihrem Treiben, Kämpfen und ….

Auch die Journalie war nicht mehr zugelassen sich unter das erlauchte Volk zu mischen, eventuell lange Ohren zu machen oder den einen oder anderen Kontakt zu knüpfen. Vielmehr nahm das Ganze die Form eines exklusiven, also von der berichtenden Öffentlichkeit abgeschlossenen Konklavs an. Als erster verließ der Außenminister den Saal, gefolgt, manche meinten, in die Flucht geschlagen und verfolgt von Wolfgang Thierse, dem vormaligen Parlamentspräsidenten. Dass Guido Westerwelle, dieser kometenhaft in den Sternenhimmel der hohen Politik aufgestiegene Superstar so sang- und klanglos abging, um anderen, gewiss vorgeschobenen Verpflichtungen nachzugehen, entsprach zwar dem allgemeinen Bild, das sich zu seiner Person geformt hatte, es machte aber ganz und gar nicht verständlich, was eigentlich zum Sturz, zum Absturz dieses Mannes geführt hatte. Man hatte ihm zwar sein Amt belassen, seinen politischen Einfluß aber auf quasi Null zurück gestutzt. Die Partei hatte sich abgewandt von ihm, sein Nochfolger, ein jugendlich scheinender Mann mit asiatisch und darum fremd wirkenden Gesichtszügen, blieb erfolg- und glücklos, so dass einzig ein Wechsel in der Parteispitze Hoffnung versprach vor einer Bruchlandung der Partei noch Aufwind zu erhalten.

Dennoch wurde Sabrina den Eindruck nicht los: Eigentlich könnte Guido, wenn er wollte, dann könnte er das Blatt wenden und noch einmal von vorne anfangen. Anscheinend aber hatte er sich andere Lebensziele gesetzt. Denn Guido ließ die Pferde laufen, zügellos, als fänden sie von allein ihren Weg. Manche meinten, er habe mit dem Aussenministeramt seine Wirkkraft in der weiten Welt verloren, die nicht ohne Bedeutung und Belang wäre, doch die Objekte der politischen Macht hatten sich nach seinem Sieg, vielleicht gerade durch seinen Sieg, verschoben und verändert. Kurz, er hatte durch seinen Erfolg ausgedient.

Erst ärgerte sich Sabrina nicht in den großen Saal zu den Großen des Landes zugelassen zu werden. Im Nachgang empfand sie es als eine weise Regieanweisung, man fügte sich ja in die Gegebenheiten, zudem  stellte die Regierungsmannschaft beim Neujahrsempfang zahlenmäßig die größte Gruppe und war derart leicht in der Lage, die Machtentwicklungen im Saal in ihrem Sinne zu gestalten. Andererseits hatte die Kanzlerin und ihre Regierung immer mehr an Zuspruch in der Bevölkerung, in den Ländern und in den staatstragenden Einrichtungen etc. verloren. Im Grunde ging es in diesen Kreisen darum, ihren Nachfolger auszugucken, doch ausgerechnet waren weder die Spitzenkandidaten der Grünen, Trittin und Göhring-Ekard, zugegen, noch der SPD Spitzenkandidat Steinbrück. Der stand am nächsten Tag mit einer Rede vor der Landkreisversammlung zur Debatte. Vielmehr war es der SPD Parteivorsitzende Gabriel, der in freundschaftlichster Weise mit dem Bundespräsidenten vor laufenden Kameras parlierte und scherzte.

Die Kanzlerin hatte während des Gruppenfotos, herausgelöst aus der Fassade ihres professionellen Auftritts einen mutigen Blick hinter die Reihen der TV Kameras und Blitzlichter gewagt. Für einen Moment verfingen sich ihre Augen in denen von Sabrina. Irgendwoher kannte sie sie, das sah Sabrina, war sich aber sicher, dass Angela unmöglich die Szene im Reichstag erinnern konnte als sie zufällig auf dem Weg in den Plenarsaal zu ihr in den Fahrstuhl einstieg. Angela sollte zur Kanzlerin gewählt werden, wohingegen sie selbst ihre letzten Geschäfte im Reichstag angesichts der Machtübernahme dieser CDU Kandidatin erledigte. Damals mochte die Kanzlerin jenen Götterbefehl gehört haben, der in einem kurzen, präzisen, durchaus sanften "Geh!" bestand. Diesmal vernahm ihn Sabrina, wobei sie, wie so oft bei solchen Gelegenheiten nicht wußte, auf wen sich dieser absolute Imperativ des "Geh und verzieh dich!" bezog. Sabrina neigte nämlich dazu, ihn auf sich zu beziehen, so als wenn der Vater eines seiner in einer Kita Gruppe zusammen spielenden Kinder gerufen hätte, ohne dass diese genau wüßten, wer eigentlich gemeint war. Das war natürlich Absicht. Dennoch hatte Sabrina den Eindruck, die Kanzlerin habe gehört und verstanden, gleichzeitig wußte sie, ihr Job war vollbracht für heute, sie hatte den Götterboten gespielt.

Die Nacht brachte Sabrina im billigsten Hostel zu, eine Zumutung. Sie kam sich wie in einem Militärlager vor. Ein 10 Bett Zimmer. Draußen war es naß und kalt, der Hunger zwang sie tiefer in ihre leeren Taschen zu greifen. Und für was das Ganze?, fragte sie sich. Nur um die Staatsspitze zu sehen? Nur um bestätigt zu finden, was eh alles schon wußten? Sie hatte weder Freude noch Spaß daran und das Gefühl, an etwas großem mitzuwirken von dem sie selber in gewisser Weise profitieren würde, stellte sich nicht ein. Vielmehr das Gegenteil: Vergebliche Mühe, umsonst, verloren. Einzig ein Handy Gespräch mit Micha munterte sie einwenig auf, ansonsten schien die Welt nur aus Wölfen zu bestehen, so dass Hobbes klagte: Homo homines lupus.

Kaisersaschern, nachts. Es war wie bestraft werden. Uli saß in einer Kneipe und verlor im online Schach und zwar in einer Weise, die geradezu unglaublich anmutete, denn dass er etwas übersah konnte schon zugehen, dass er aber solche Sachen übersah und zwar in letzten, entscheidenden Momenten, das mutete ihm an als würde da noch jemand anderer mitspielen, jemand in ihm selbst, der böse war. Ihm kam dazu ein Bild in den Sinn: Als Kind ärgerte er seine kleinere Schwester, in dem er ihr den Schnuller hin hielt und wenn sie mit ihren Babyfingerlein danach griff, so zog er ihr diesen weg. Die unmittelbare Reaktion war ein fürchterliches Geschrei. In etwa so wurde ihm der Sieg im letzten Moment entzogen, über all dem schwebte dann das Gebot: Du sollst nicht schreien, äh,spielen, du sollst arbeiten. Dass er dazu keine Lust hatte und keinerlei Anreize verspürte, was ihn andererseits ins Spielen trieb, blieb unerwähnt. Kurz, es war eine quälerische Situation und Lage, in der er sich befand, zumal sie ihm nun mehr auch auf der spielerischen Ebene vor Augen führte, wie dumm er war, wie vergesslich und wie schlecht.

Berlin, ein 5-Sterne Hotel am Tiergarten, 13. Landkreis Versammlung, Hundertschaften von Landräten und Kreistagspräsidenten, Besoldungsstufe B4bisB7, das entspricht dem Direktor eines Verwaltungsamtes und dem Präsidenten eines Verbandes und rangiert über den Einkommen von Richtern und repräsentierte die untere Ebene in der bundesdeutschen Verwaltungshierachie. Dementsprechend wirkte die kompakt massive Gleichförmigkeit der Herrschaften, die in einem großen Saal schön ordentlich aufgereiht saßen. Ihr Auftreten, ihre zur Schau getragene Art und Weise strahlte saturiertes Haben, um nicht zu sagen Wohlhabenheit aus. Sabrina war beeindruckt, hier würden die neusten Reden der zur Zeit bedeutensten Politiker zu hören sein, auf dass sie durch die Landräte im ganzen Land verteilt würden, wobei klar war, es bliebe nur ein Eindruck, doch der würde nachhaltige Wirkung zeigen, denn diese Leute hatten maßgeblichen Multiplikator Einfluss.

Darüber hinaus bildeten sie eine Klasse für sich, die B4bisB7, wobei zwischen vier und sieben Welten klafften, gleich Abgründen, in deren Tiefe der obdachlose Motz Verkäufer aus der S-Bahn Linie Schöneberg Richtung Schöneweide als zerschelltes Wesen eher Ekel als Mitgefühl generierte, was zeigte, das Ekel und Mitgefühl wie die Rückseite einer Medaille zu einander stehen sie mal und verkaufen etwas, was nur aus Mitleid gekauft wird und gebraucht wird, um sich zu erheben, weil es dies Bedürfnis deckt oder die Not, die Bedrängnis, die solche Menschen bedeuten, denn der Seelenfrieden, das Gewissen kommt leicht in Not, denn wir sind doch Mitmenschen und nicht homo homines lupus und die Wölfe sind soziale Wesen mit einem Leitwolf und der sitzt da vorne, vor mir, direkt vor mir und eigentlich ist er ein Hase, zwar der Oberhase aber ein lieber, nicht so einer, wie der von Unten am Fluss, glaube ich, möchte ich jedenfalls gerne glauben, weil … Sie wissen ja nicht, wie schrecklich die Menschen sind, wie kalt und herzlos, wie rücksichtslos und Ich bezogen. Gucken Sie nur mich an, wie heuchlerisch und verlogen ich bin und wie egoistisch. Das hört sich schlimm an, richtig schlimm, so als brenne es gerade bei Ihnen, dann kommt gleich die Feuerwehr. Auf dem Land ist die freiwillige Feuerwehr etwas ganz besonderes. Sie rangiert gleich neben dem Fußball Verein und neben dem Schützenverein. Da treffen sich die Leute, da kommt man ins Reden, da wird entschieden, was Quatsch ist und was in ist, wobei das eher die Frauen entscheiden. Eigentlich geht es so oder so nur nach dem, was die Frauen wollen, machen und gut finden. Yoga zum Beispiel ist voll in und wissen Sie warum? Es bringt Innerlichkeit, Gemeinschaft und körperliches Wohlbefinden. Darum läuft das Yogastudio in der Kreisstadt, da wo der Wimpel des Kreistages weht und der Pferdestall neben der Kuhwiese mit Sicht auf den Kirchturm und den Anger, wo die Maulwürfe die Oma ärgern, weil die Landflucht der Jungen die Stadtflucht der Alten nicht ausgleicht, so dass im Abend Fernsehen die Serie Pilcher das wahre Ideal des Landlebens und darum das „So wunderschön könnte die Kreisstadt sein“ aufzeichnet.

Nach dem Bundespräsidenten sprach der SPD Parteivorsitzende, dicht gefolgt vom CSU Innenminister, dem wiederum der SPD Spitzenkandidat hart auf den Fersen war. Der SPD Parteivorsitzende hatte den Landräten seinen Spitzenkandidaten als einen Menschen anempfohlen, der gut, der besser als er selber mit Geld umgehen könne, weshalb auch Peer und nicht er selber der Spitzenkandidat wäre er noch mehr als er ißt, dann platzte er und stürbe an Herzverfettung, was den Herrn von der CSU, den Herrn Innenminister, frohlocken ließe. Tatsächlich erinnerte er Sabrina, sie wußte nicht an wen sie dieser Koloss erinnerte, was aber egal war, denn die werbende Tonlage zeigte sich als dieselbe herzlich zugewandte, freundlich vermittelnde Tonlage, die besagte, für euch war ich schon immer ward ihr mir das wichtigste, so als spräche der Politiker mit einem Mädchen, seiner Herzensdame, sollte sie denken und im nächsten Moment sprach der Treulose zu einer anderen genauso. Wie konnte das sein? Was war dann Ehrlichkeit? Was Aufrichtigkeit des Herzens? Was eine Tugend, für die der Mensch steht, lebt, stirbt? Aalglatt, glitschig, unfaßbar, unhaltbar, also zu hoch, somit eine Klassenfrage, die sich auf dem Lande klar strukturiert anhand des Besitzes, des Erbes und an der Anzahl der Pferde zeigte sie sich und zwar im Verhältnis zur Arbeitslosenzahl des Landrats, der den Sozialhilfeposten fest im Blick an den Feuerwehrball und an das Gesaufe dachte unter www.politik für alle.de, was sich nicht auffinden ließ und von daher zum nächsten Büttenredner, den Herrn Spitzenkandidaten der SPD, Peer Steinbrück, überleitete. Er hatte gerade damit zu tun, dass die Umfragewerte und die öffentliche Meinung bezüglich seiner Person im Keller war. Es drängte sich der Gedanke auf, die politische Elite in Berlin habe mit seiner Nominierung eine Kartellabsprache erfüllt, die darin bestand a) die Linke nicht zum Zuge kommen zu lassen und b) die Merkel im Amt zu halten. Tatsächlich hatte Schröder die SPD ruiniert und seitdem konnte diese Partei keine charismatischen Kandidaten mehr hervorbringen. Mithin war wieder so etwas wie ein Übermensch, ein deutscher Supermann gefordert, es konnte auch eine Frau sein, eine Superfrau, auf jeden Fall aber ein Mensch, der in der Lage war den Menschen zu vermitteln, sie dürften sich nicht nur gut bei ihm aufgehoben fühlen, sondern mit und durch ihn gehe es für sie besser weiter. Komisch, Steinbrück sprach vor Landräten über eine Problematik, die vor allem die Städte trifft, die Immigration, die Zuwanderung von Ausländern. Von denen bekommt das Land wenig mit, zumindest weniger, was somit knapp vorbei war auch daneben. Darum erinnerte sein Parteivorsitzender auch an den Großen, an Kohl, was widerum an Walther Leisler Kiep und an die Spendenaffaire, die Schwarzkonten der CDU erinnerten Sabrina, dass die Herrschaften sich ja selber nichts in die Tasche steckten, was nirgendwo lobend erwähnt wurde. Wahrscheinlich hatten sie es nicht nötig, insbesondere weil sie so ehrenwert sind und Peer sagte: Herr gib mir Geduld, aber gleich, denn es gibt nur drei Menschen, die diesen deutschen Finanzausgleich verstehen: Der erste ist tot, der zweite ist in einer Verrücktenanstalt und der dritte bin ich und ich habe alles vergessen, Originalton Steinbrück. Mit Blick auf ihn stellt sich die Frage, wann ist er durch, sprich wann haben Sie sich an ihn gewöhnt? Wann nehmen Sie ihn an, soll heißen das, was er zu bieten hat? Tatsächlich, bei aller Gegenwehr, seine Denke kann zurückgreifen auf das NRW Potential. Mist, beinahe wäre der Kameramann über mein Stromkabel gestolpert und eigentlich war doch ich Schuld hatte aber der hätte sich etwas tun können. Es hätte schlimmeres passieren können Sie das auch Sie werden mal sexundsächsig, weil die Fürsten finden ihre Mäßigung auf dem Grunde ihres Beutels oder fühlten Sie sich nicht besser als der Mann in der Jeans, der behängt mit Technik als Schwerarbeiter im Verhältnis zu einer Deux Piece also Bürokratin, die etwas zu sagen, zu fauchen, zu schimpfen hat, hat, hat, hatte der von Westernhagen doch am Klavier mit Tönen Perlen im Licht glitzernd wie die Kristalle des Kronleuchters über dem Gemurmel, der die Leere des Endes fliehenden Landräte gemalt bevor Sabrina zum Büfett schritt, wo sie sich unters Volk der B4bisB7 mischen wollte sie sich unter sie kam sie sah und ging mit als sie ihn abholten, sagte der Fraktionsvorsitzende eines Kreistages, er habe im ARD Morgen Magazin gehört, dass Peer zurücktrete und der Hannelore die Spitzenkandidatur antrage, zumindest sei das im Gespräch. Sabrina nahm das mit Erleichterung auf, sie habe das ja schon immer gesagt und nicht verstanden, dass die Granden der Partei in einem einsamen Beschluss sich so ganz über das Empfinden der Basis und der Wähler hinweg setzen könnten, denn dann stimmten die Füße ab und die kalten liefen hinterher.

Kaisersaschern, am selben Abend. Uli trat im Anzug mit Fliege zum diplomatischen Empfang im Rathaus an. Es war unglaublich, wie konnte Kaisersaschern eine solch hochkarätige Aufmerksamkeit erfahren? Und es würde das ganze Jahr über so weiter gehen, erläuterte der OBM in seiner Neujahrsansprache: Die Eröffnung der Markthalle, der Messeball, das 300 jährige Jubiläum des Gipfelkongresses zu Kaisersaschern, der schon Anno dazumal die Grundlagen des modernen Europas und der heutigen EU legte und nun mehr mit einem EU Gipfel in den Mauern der Stadt geehrte würde und schließlich ein Weltsymposium zur Kontroverse von Nietzsche und Wagner, das waren die Highlights der Superlative, denen Kaisersaschern im kommenden Jahr entgegen sah.

Im golden prunkenden Festsaal mit einer 9 Meter hohen, barock bemalten Decke, mit zwei gigantischen Kaminen in denen Buchenscheite des Stadtforstamtes in hellen Flammen prasselten, waren in jeder der vier Ecken des Saales Speisen, Köstlichkeiten, Getränke und kulinarische Delikatessen samt livrierter Köche und Bediensteter aufgestellt. Vor einem der Kamine, freilich in sicherem Abstand zur Hitze, saß auf Hockern das Ascherne Streichquintett und stimmte mit Suiten von Brahms den Empfang, jeweils zwischen den Reden des OBMs, des Doyens des diplomatischen Chores und der Frau Ministerin aus Dresden ein. Kaum war das Büfett eröffnet, verteilten sich die Gäste, die einen, um beim Büfett anzustehen und die anderen um in Grüppchen an Stehtischen ins Gespräch zu kommen. Uli nutze die Chance, sich vom ersten Tisch unter dem Vorwand zu lösen, er wolle sich noch eine Portion Tiramisu genehmigen, um sich dem nächsten anzuschließen, von dem er sich, angeblich um noch einen Glas Roten zu holen, gleichfalls nach einer Weile verabschiedete, so dass er sowohl hinein hören, als auch die eine oder andere Einsicht und Neuigkeit eingeben konnte. Der polnische Kultur Attaché erzählte von einem kürzlich abgeschlossenen Doku über den Komponisten Krzysztof Penderecki. Die Regisseurin dieses Dokus war es, die vor ein paar Tagen am Rande einer Pressekonferenz über die Fernsehintendantin und deren Vergabepraxis abgelästert hatte.

Am nächsten Stehtisch Leute von der Umweltpartei. Sie kündigten Jürgen Trittin von den Grünen zum Abschluß des OBM Wahlkampfes in der kommenden Woche an. Uli spürte wohl, dass man ihn skeptisch einzuschätzen suchte, welcher Fraktion er zugehörte, doch er nahm sich vor, sich nicht weiter festlegen zu lassen. Ein Tisch weiter der OBM im Gespräch mit Kaltenbrunner, dem Mann in Berlin. Uli spürte eine Art Tabu Zone um die beiden, er würde auf diese zwei prominten Akteure nicht so einfach locker, flockig hinzu treten können. Am Tisch daneben der Vorsitzende des Finanzausschuss der Sozialrepublikaner im Stadtrat, ein Mann, der behauptete, dass die Hannelore Kraft aus Düsseldorf offensichtlich aus „persönlichen“ Gründen abgewunken habe die Kanzlerkandidatur anzutreten. Sie diene NRW besser als wenn sie für die SPD bezüglich der Kandidatenfrage die Kohlen aus dem Feuer hole. Derart verbliebe nur der Parteivorsitzende. Seine Rede, sein Auftreten vor der 13. Landkreis Versammlung, die er live bei Phönix gesehen habe, ließe keinen Zweifel, dass Gabriel der starke und unangefochtene Mann in der SPD wäre und derart sei ganz unverständlich, dass man nicht ihn zum Kanzlerkandidaten auserkoren hätte. Er zeigte sich damit durchaus kritisch gegenüber dem Gebaren in der Berliner SPD Zentrale, auch wenn das Verhältnis von Sozialrepublikanern und Sozialdemokraten ansonsten als ziemlich eng anzusehen war. Die Landräte würden also durch das weite, flache Land, dem eigentlichen Stammgebiet der CDU / CSU, den Ruf nach Sigmar Gabriel ertönen lassen. Das reichte, Ulis Bedarf an Neuigkeiten war gedeckt und er verabschiedete sich.




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