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Das römische Deutschgetümmel

Berlin, Martin Gropius Bau, 21. Februar 2013, DG

Anfang diesen Jahres, Mitte Februar, gab es für das kunstbefliessene Berlin einen in mehrerer Hinsicht symbolträchtigen Höhepunkt, die Eröffnung der Stipendiaten Ausstellung der Deutschen Akademie zu Rom durch den Bundespräsidenten und seine Lebensgefährtin und zwar kurz vor der Europa Rede des Bundespräsidenten am darauf folgenden Tag. Die Deutsche Akademie Rom betreibt in der römischen Region mehrere Häuser, das wohl bekanntere ist die Villa Massimo, in der Künstler auf mehrere Monate samt einem noblen Stipendium untergebracht werden und in
Ausstellungs Eröffnung
Joachim Blüher, Direktor der Deutschen Akademie zu Rom, bei seiner deutschtümmelden Eröffnungsrede der Stipendiaten Ausstellung 2013 im Martin-Gropius-Bau, Berlin


modernsten Ateliers und Werkstätten ihre kreativen Impulse umsetzen können. Sie ist damit der Berliner American Academy vergleichbar, die US amerikanische Wissenschaftler jeweils für mehrere Monate am Wannsee beherbergt.

Das erste Grußwort an die auf Stuhlreihen in der hohen Halle des Martin Gropius Bau plazierten ehemaligen und aktuellen Stipendiaten und Ehrengäste entrichtete der langjährige Direktor der Akademie, Herr Joachim Blüher. Sein quirrlig und italisch eloquent gehaltener Vortrag hob vor allem die eigenen Leistungen seiner Amtszeit hervor, die darin bestünden, die halb verwilderte Villa Massimo wieder aufgebaut und zu einem kulturellen Mittelpunkt mit mehreren Massenveranstaltungen im Jahr, Sommerfesten und Ausstellungefeiern, gemacht zu haben. An seiner Rede war dabei eine grenzfällige Deutschtümmelei zu beobachten. Sie bestand in der penetrant wiederholten Benennung und zwar in adjektivischer als auch nominaler Form des mitteleuropäischen Landes nördlich der Alpen, das die Akademie in Rom betreibt. Unter den Schaulustigen hinter den Schranken, die durch rote Samtkordeln hinter die Stuhlreihen verwiesen waren, machte sich auf Grund dessen eine gewisse Unruhe verspürbar. Es kam jedoch nicht zu Pfiffen oder Buh-Rufen. Offensichtlich fühlten sich diese Subjekte von dem auf diese Weise durch die Rede des Herrn Direktor Blüher über die Alpen transportierten rechts-populistischen bis nationalistischen Gedankengut in Italien unangenehm bedrängt. In der Stille auf der anderen Seite des Saals war diesbezüglich durchaus eine gewisse Genugtuung zu verspüren. Sie bestand im Wesentlichen im Stolz auf blonde Frauen und Bier und im Triumpf des wirtschaftlich und finanziell Stärkeren über das südländische Temperament, das, bis auf gutes Essen und beste Weine, die lange Liste negativer Klischeevorstellungen erfüllt und derart die eigenen Leistungen im Glanz erstrahlen läßt. Das zweite Momentum der Genugtuung des deutschen Rechtspopulismus und Nationalismus war hingegen innenpolitischer Natur, es bestand schlichtweg im Triumpf über das zersplitterte Mitte-Links Lager, denn es zeigte sich auch bei diesem Anlaß unfähig auf derartige Provokationen mit adäquaten Reaktionen, wie spöttischem Beifall, Zugabe Rufen und Gelächter zu reagieren. Kurz, so lange keine Einigkeit unter den miteinander zerstrittenen Modernisierungskräften besteht, wird auch die kritische Masse nicht zusammen kommen, die notwendig ist, um die Gesellschaft aus dem ruhig behäbigen Fahrwasser traditioneller Lebensabläufe zu bringen. Tatsächlich scheint es und das ist der Umkehrschluss, auch gar keine Veranlassung dazu zu geben, denn in jenem Land nördlich der Alpen herrscht nicht die Not der Finanzkrise, sondern die Geschäfte laufen bestens und man wähnt sich als Gewinner besagter Finanzkrise, die insbesondere in den südeuropäischen Ländern einigen Mißmut über den Koloß in der Mitte Europas hervor rief.

Durch den innovativen Abgang des deutschen Papstes, der die Kurie im Vatikan durch die Ankündigung seines Bleibens im vatikanischen Kloster Neuland beschreiten läßt, ist jedoch abzusehen, dass sich das römische Deutschgetümmel zukünftig nur wenig lichten wird, zumal Direktor Blüher den hiesigen Kreisen in Aussicht stellen konnte, dass der im Zuge der Finanzkrise zurückgetretene Berlusconi beste Wahlaussichten hat.

Es bleibt noch zu erwähnen, dass die Ehrengäste, unter ihnen der SPD Fraktionschef Frank Walter Steinmeier in der Entourage des Bundepräsidenten durch die Ausstellung gingen, wohingegen den normalen Besuchern erst in gebührlichem Abstand die Türen zu den unterdessen von den Prominenten geräumten Ausstellungssälen geöffnet wurden. Diese Absetzung der Bevölkerung von der Staatsspitze erinnerte konkret an die Kirche in der Wiener Hofburg, die unten die Kirchenbänke für die normalen Leute des Hofstaats und oben die durch Glasfensterlein abgegrenzten Logen für den Hochadel aufweist. Dass Steinmeier beim anschließenden Empfang ein Bad in der Menge nahm, wobei er mit Frau und einem befreundetem Pärchen gesehen wurde, was darauf hindeutet, dass ein abgehobener Promi wie er auch ganz normale Freundschaftsbeziehungen unterhalten könnte, löst die vor allem mit Sicherheitsinteressen begründete Differenz zwischen Guckern und Beguckten, zwischen Bürgern und Establishment kaum auf. Einer solchen Wahrnehmung wohnt die egalitäre Forderung inne, sie sollte zu Gunsten eines fraternalistischen Verhältnisses nivelliert werden, weil nur ein solches sich auf gleicher Augenhöhe bewege. Tatsächlich sind das Außenbetrachtungen großer Macht- und Statusunterschiede, sie sagen rein gar nichts über die Beziehungen von Amts- und Funktionsträgern unter einander aus. Es bleibt das Statement eines ehemaligen CEOs eines renomierten Autobauers zu überprüfen, dass die Verpflichtungen der Herrschaften an der Spitze kaum Zeit und Raum für persönliches lassen und vielmehr Fremdbestimmung das vorherrschende Muster bilden.


Rede zu Perspektiven der europäischen Idee, Bundespräsident Joachim Gauck

Deutsche Akademie Rom, Villa Massimo





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