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Kommentar
zur Eröffnung des sächsischen
LandtagsWahlkampfs
Leipzig im Juli 2014, DG
Vor
ein paar Tagen kam ich aus Hannover, der
niedersächsischen
Partnerstadt Leipzigs, per “MfG” in die
Stadt eingefahren, also
per Mitfahrgelegenheit rauschte ich
Richtung Bahnhof. Sofort fielen
mir die Wahlkampfplakate auf, sie
prangten am Straßenrand von jedem
Strommasten. Aha, dachte ich, der
sächsische Landtagswahlkampf ist
also eröffnet. Insbesondere das
freundliche Lächeln des einen
Spitzenkandidaten erschien mir
vielsagend und eindeutig. Tatsächlich,
der Mann ist allseits bekannt, neben ihm
kommt erst einmal gar nichts.
Ich
sah auch andere Plakate, wobei mindestens
drei ängstlich wie
Espenlaub zu zittern schienen. Offensichtlich
fürchten sie um ihren
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Einzug ins
Dresdener Parlament. Es blieben drei
weitere Plakate,
wobei mir insbesondere eines auffiel und
zwar nicht, weil es
besonders Aussage kräftig oder
ansprechend oder sonst wie auffällig
unter den auffällig sein wollenden
Plakaten gewesen wäre, nein,
sondern, weil mir schien, der lächelnde
Herr von besagtem Plakat
lächelte ausgerechnet zu diesem hinüber,
nämlich freundlich
gewinnend, einladend, zuvorkomend,
höflich, rücksichtsvoll,
nachgiebig, eben so, wie jemand, der im
Fall der Fälle jemanden
anguckt, wenn er eventuell – es könnte
ja doch sein – angewiesen
wäre auf eben jene Leute, die sich
hinter besagtem Plakat verbergen.
Das Lächeln dieses Spitzenkandidaten
bekommt an dieser Stelle
durchaus etwas väterliches gegenüber
trotzig, unwilligen Kindern.
Es hat quasi etwas von einer liebevollen
Rücksichtnahme, die
nachgiebig, vergebend den
offensichtlichen Blödsinn hinnimmt, den
die Kinder veranstalten.
An
diesem Punkt der Überlegung wunderte ich
mich über mein Abgleiten
in familiale Beziehungsverhältnisse. Ich
packe die Interpretation
von Gesichtsausdrücken auf Plakaten in
situative
Beziehungsverhältnisse zu Freunden und
Bekannten und diese wieder in
das Bild der Familie. OK, diese Ebene
versteht offensichtlich jeder
und weiter fragen wir dann auch nicht,
zum Beispiel, was diese
unartigen, trotzigen Kinder machen,
weshalb sie so unwillig sind. Das
wollen wir gar nicht wissen. Das ist
eine situative Detailbetrachtung
wie in etwa die Kabbelei im Sandkasten
und Papa, der noch kurz
lächelt bevor er zum Fußball geht und
Mama alles überläßt. Dass
Papa denkt, es wird Zeit, dass seine
kleinen Racker bald in die
Schule kommen, wo sie dann anständig und
fleißig lernen werden, ist
eigentlich auch schon zu weit gedacht,
denn es geht einfach nur um
dieses milde, freundliche, offene
Lächeln, dass diese Leute von dem
einen Plakat einläd und dadurch die
andern auslädt. Das erzeugt
unter den anderen Kindern unweigerlich
einen enormen Neid und
bewirkt, was im weiteren im Sandkasten
abläuft und wozu die
umstehenden Beobachter, nämlich das
Wahlvolk, nichts anderes sagen
kann als:
Ihh,
wie häßlich, wie die streiten und sich
fertig machen.
Wie
gesagt, nur die einen wissen, dass Papa
zu ihnen steht. Sie dürfen
sich sicher und bestärkt fühlen, denn
Papa wird einschreiten, wenn
... eigentlich wartet er nur darauf,
dass er einschreiten kann. Es
stellt sich jetzt die Frage, wie zickg,
wie hochnäsig arrogant, wie
gemein herablassend, wie frech und
hinterlistig Aua! schreiend ist
dieses eine Kind ? Und zwar von sich
aus, intrinsisch, so dass es
sich, obwohl Papa, besser gesagt, weil
Papa so wohlwollend auf es
schaut, es sich so ganz unmöglich macht
und gar nicht mehr
sympathisch ist? Das ist die Frage,
frage ... Mutti, wen wählst du?
Opi oder Papi?
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