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Welten online |
Uetze im Februar 2019, Dirk Glomptner
21. März 2019
Ein PublicViewing als Öffentlichkeitsherstellung mit anschließender Diskussion soll der krönende Abschluss des ersten Welten online TV Projektes „SeniorenLeben auf dem Land“ sein.
Welch erhebendes Gefühl, mit einem solch präsentierbaren Ergebnis in Form einer Video-Reportage den Schritt in die Öffentlichkeit zu unternehmen. Doch, siehe da, es tun sich neue, ungreifbare, kaum fassbare Widerstände auf: Zu aller erst gerät bei diesen der Pressesprecher der Gemeinde ins Visier und ohne Frage hinter ihm verbirgt sich der Bürgermeister. Als wenn die doch eher harmlose Diskussion, ob zu wenig oder genügend für die Senioren in der Gemeinde getan würde, als eine persönliche Kritik am Bürgermeister behindert, wenn nicht gar verhindert werden müsste, übersandte der Pressesprecher 3mal eine unzustellbare Email-Adresse mittels derer die Pressemitteilung für die Veranstaltung „PublicViewing & Diskussion“ den Zeitungen dieser Region übersandt werden sollte. Auf telefonische Nachfrage hin sprach er von einem „technischen Phänomen“
Aber auch die Pressemitteilung von Welten online wurde von den ortsansässigen Zeitungen nicht angenommen. Noch nicht einmal die Terminankündigung wurde abgedruckt. Gerade im ländlichen Raum in denen Kultur-Veranstaltungen rarer sind als in der Stadt sollten doch zumindest Termin-Ankündigungen abgedruckt werden. Eine Informationspflicht, ein Recht auf Information, scheint es nicht zu geben.
Was lief alles falsch, wenn es denn ein „technischer Kommunikations-Fehler“ war?
Es lässt sich ausmalen, es bestünden Vorurteile der etablierten Presseorgane gegenüber dem lokalen BürgerFernsehen. Solange dies jedoch nicht durch weitere Erfahrungsberichte belegt wird, handelt es sich lediglich um spekulative Einschätzungen.
Deutlich wird jedoch, auf dem Lande funktioniert vieles über den persönlichen Draht und das meint Sympathien und Antipathien, die offensichtlich keine kontroversen Meinungen gestatten. Ein Denken, das sich in Erfolg und Misserfolg, in Gewinn und Verlust, also in negativ und positiv aufspaltet, stellt eine Schwarz-Weiß-Malerei dar, die bipolar unweigerlich indifferente Abspaltungen erzeugen muss. Bei frühlingshaftem Sonnenlicht ergibt sich aus dieser grauen Masse ein farbig buntes Bild. Es verhält sich zur US-amerikanischen Parteienlandschaft diametral verschieden, denn die graue Masse der Nicht-Wähler dort, dürfte der hiesigen Parteienvielfalt entsprechen.
Wenn es denn mit ein paar Telefongesprächen getan wäre, anstatt anonym per Email, dann sollten die Redaktionen auch telefonisch zu erreichen sein. Das ist nicht immer der Fall.
Es kamen dann doch einige Leute, ca. 15, aus dem Umfeld des Seniorenbeirats. Der Beitrag wurde positiv aufgenommen, also als technisch akzeptabel bewertet, ansehbar, vorzeigbar. Inhaltlich jedoch wurde er mehrheitlich zurückgewiesen: Auf dem Lande sei die soziale Einbettung in Nachbarschaft und Familien viel stärker ausgeprägt als in der anonymen Großstadt. Auch gelte es zu unterscheiden zwischen den Zugezogenen und den „Natives“. Insbesondere die Alteingesessenen verfügten über ein Netzwerk von Bekanntschaften und Freundeskreisen, die ein Alleinsein im Alter ausschließe. Ich deutete dies als ein maßgebliches Kriterium der sozialen Stratifizierung auf dem Land und zwar neben dem von Grund und Boden (Bauern) und Kapital (Handwerk & Industrie).
Die vorgetragenen Argumente isolierten mich als fremder Städter, der vom wirklichen Landleben keine Ahnung habe. Ich stand allein da mit meinen wenigen Einsichten in die persönlichen Lebensverhältnissen von einigen älteren Leuten aus dem Umkreis meiner Mutter. In mir wurde dementsprechend der Vorwurf angetriggert, ich hätte mich wohl nicht richtig um meine Mutter gekümmert. Auf derselben Ebene der persönlichen Schuld- und Verantwortung für das Wohlergehen der „armen, alten Nachbarn“ nach denen keiner mehr schaut, war das Abwägen von Betroffenheit und Engagement versus keine Lust und besseres zu tun zu haben spürbar im Raum. Ob Hilfe für die Flüchtlinge oder für die Alten, das ehrenamtliche Engagement ist nicht jedermanns Sache.
Hieraus erkläre ich
mir vor allem die vehemente Verteidigung der Sicht auf ländliche
Lebensverhältnisse als lebendig, attraktiv, kontaktreich und
lebenswert. Für die Anwesenden mag diese Attraktivität des
Landlebens mehr oder weniger zutreffen, ohne dies mit einem
Punksong wie dem von Nina Hagen „Ich
glotz TV 1978 – die Welt hat mich vergessen – keine Lust
zu gar nichts – ich schalte die Glotze an ...“ zu
konterkarieren, denn selbst wenn die Autofahrt durch
menschenleere Dorfstraßen das Glimmen der Monitore in den
Fenstern der Wohnstuben zeigt, heißt dies ja noch lange
nicht, dass sich hier und da Menschen nicht aus ihrer
Vereinzelung zusammenfinden. Zudem gibt es ja auch noch
das Sorgen-Telefon für einsame Senioren, das
Mir schleicht sich ein ironischer Unterton ein. Er ist nicht angebracht angesichts des Leids und der Not, die Vereinsamung und die Unmöglichkeit in Kontakt zu kommen, bedeuten. Eigentlich ist er Ausdruck von Verzweiflung und Hilflosigkeit. Wie gut also, dass es solche Initiativen wie das Silbernetz gibt und Menschen, die daran mitarbeiten. Wie gut auch, dass die Leute im Seniorenbeirat, die noch soviel Engagement und Verve haben, dort nicht anzurufen brauchen, sprich auch der Seniorenbeirat stellt einen Schutz gegen das Alleinsein dar.
Und dennoch, ein
niederschwelliges Angebot, ein Raum in dem ältere Menschen
sich ihre Mahlzeiten selbst organisiert kochen und gemeinsam
essen können, wäre so etwas denkbar? Fänden sich dafür
Leute? Und würde ein solches Projekt für ein EcoVillage oder
für eine ländliche Lebensgemeinschaft, wie z.B. Niederkaufungen,
die neben einer Tagespflege,
die Möglichkeit zu gemeinschaftlichem Kochen und Essen
anbietet, nicht die Möglichkeit für einen Zuverdienst
eröffnen?
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