Hare Krishna revisited
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Hare Krishna - hare Krishna

Krishna Krishna – hare hare

Hare Rama - hare Rama

Rama Rama - hare hare



Hare Krishna revisited

Florenz im Dezember 2016, Michael Welten

Ich schreibe aus der Villa Vrindavana, ca. 20 km südwestlich von Firenze, also kurz vor der Stadt, mit dem Autobus vielleicht 30 Minuten bis zum Hauptbahnhof, wenn er denn mal fährt, denn dieses Hare Krishna Anwesen auf dem Sabrina und ich ein paar Tage verbringen, liegt weit abseits, zu oberst eines Hügels, um nicht zu sagen Berges in der Toskanischen Hügel- bzw. Berglandschaft, die so malerisch und sanft, wie sie ist, schon so einige anzog, insbesondere ihren Lebensabend in einer Kultur- und Kunstlandschaft wie dieser zu verleben.  Davon zeugen vor allem alte Palazzi auf den Kuppen der Hügel, von denen man eine weite Sicht über das Grün in sanft geschwungenen Tälern und Höhen hat bis hinunter nach Florenz aus dessen Arnotal sich die rote Kuppel des Domes schiebt. Freilich sind diese Palazzi genauso wenig zu sehen wie ihre Bewohner, denn zumeist verbergen sie sich am Ende einer langen Baumallee aus alten, schlank und spitz in den Himmel weisenden Zedern, wobei die Allee selbst hinter einem mit Wappen und Figuren dekorierten Steintor beginnt und durch schmiedeeiserne Torflügel verschlossen sind. Gestern erzählte mir hier im zugehörigen „Hare Krishna Tempel“, siehe Bild, Nambrahmana, die so wunderschön das Hare Krishna improvisierend singen kann, was sie morgens um 6:45h macht, nach dem diejenigen, die es schafften






Hare Krishna
              Temple Villa Vrindavana



aufzustehen, jeder für sich in diesem so wundervollen Marmorsaal um 4h morgens mit dem Rezitieren des Maha-Mantras „Hare Krishna“ begonnen hatten, also sie erzählte, dass in den 70er Jahren der Sohn eines reichen Aristokraten und selber berühmter Designer, Marco Ferrini, für die Hare Krishna Bewegung dieses Anwesen kaufte und sich an die kunstvolle und reiche Ausgestaltung insbesondere dieses so hinduistischen Tempels machte, womit er sich wahrlich ein weiteres Denkmal setzte, freilich, ohne dass ich hier seinen Namen besonders erwähnt fände, gelte dies doch als Ausdruck eines falschen Egos.

Kurzum, ich lerne hier gerade das Meditieren auf eine ganz neue Art, nämlich durch die ständige und dadurch in eine Trance bringende Wiederholung des Mahamantras. Hinzu kommt das Singen und Tanzen, das Feiern der Gottheit Krishna, Hare Krishna, was sich als Ohrwurm längst mein Unterbewusstsein abgesetzt hat, hare, hare.

Wenn ich dir nun die Vorstellung wecke, ich würde mich der Hare Krishna Bewegung anschließen, weil sie mich mehr und mehr einnimmt, so wäre mir dies selber ungeheuerlich. Vielmehr, wie gesagt, überwinde ich eigene Vorbehalte gegenüber diesen aus den Straßen bekannten Sängern und Tänzern. Weder wußte ich, dass ihre vegetarische Küche eine so wohlschmeckende Wonne ist, noch wie sehr diese Bewegung hinduistisch durchtränkt ist. Es werden z. B. ständig einzelne Sätze, ja, einzelne Worte aus der Bhaghavad-gita von ausgewählten Lehrern vorgelesen, übersetzt und kommentiert, wobei also diejenigen, die des Sanskrits mächtig sind und solches tun können, sich zu bedeutenden Gurus der Bewegung entwickeln können.

Tatsächlich erinnerte mich die früh morgendliche Szenerie, das Hare Krishna rezitierender, also vor sich hin murmelnder Leute - einige sitzen dabei, andere laufen im Kreis herum, alles wirkt unorganisiert, ungeplant, weil jeder für sich ist und macht, was ihm gerade in den Sinn kommt, also ins Handy schauen und simsen, um dann wieder weiter das Hare Krishna zu murmeln – diese Szenerie also von auf sich zurückgeworfenen und in sich gehender Menschen, erinnerte mich an gewisse psycholytische Workshops mit ihren psychonautischen Zuständen bis dahin, dass die Krishna- und Radha-Bilder (Radha - Krishnas Geliebte) an der Wand eine ungemeine Sog-Wirkung entfalteten und mir die lösgelösten, einzelnen Menschen, jeder für sich, in einer hyperrealen, surrealen Beziehung zueinander zeigen.


Der Tempeldienst

In Indien hörte ich, dass im Gegensatz zu christlichen Kirchen, die hinduistischen Tempel als Wohnstatt der Gottheit gedacht werden. Bis anhin hatte ich demzufolge die naive Vorstellung, ein Tempelbesuch wäre demnach das Aufsuchen eben dieser Gottheit, wobei durch Gebete, Gesang und Niederwerfungsrituale eine besondere Heilkraft bewirkt würde. Mir war nicht klar, dass die anwesende Gottheit den hinduistischen Glaubensvorstellungen nach von morgens bis zum Abend, vom Aufstehen bis zum Schlafen Gehen wie Menschen versorgt werden müssen. Ihnen wird spezielle Nahrung gekocht und dargebracht, sie werden an- und ausgezogen, sie und der Tempel werden nach mehr oder weniger strengen Regeln und Ritualen gereinigt. Wenn die abendländische Gottesvorstellung rein geistig, abstrakt bis ideell gehalten ist, so ist es dem hinduistischen Glauben nach eine Selbstverständlichkeit, die Gottheit personenhaft als bunt gekleidete Puppe in einem solchen Bereich aufzustellen, der im Christentum etwa dem Altarraum entspricht. Neben den Götterpuppen gibt es andere, bunte Puppen von Krishna und Radha, die eher Gemütszustände symbolisieren sollen und zwar vor allem sinnlich weiche, mit ganz in der Liebe aufgegangenen runden Gesichtern und Augen bzw. deren abstrakter Kreisform. All diese Puppen erscheinen aufgestellt unter einem moghulisch anmutenden Baldachin. Bei den Hare Krishnas werden die erleuchteten Meister, so der Gründer der Bewegung, Sri Sri Prahubada, zu diesen Materilisationen und Personifizierungen der Gottheit gleichfalls als lebensechte Puppen hinzugesetzt. Das Ganze noch hinter Glas, klar sichtig geputzt, bewirkt, als schaute ich in eine lebensgroße Puppenstube bzw. thronende Palastszene, sprich es hat etwas kindliches. Während der Rezitationszeiten des Mahamantras ist dieser göttliche Schaukasten, der durch die erstarrte Unbeweglichkeit der Götterpuppen besticht, durch einen roten Vorhang verhängt. Mit Zimbel Geläut wird er schließlich geöffnet, die Anwesenden werfen sich seitlich, also nicht auf die Puppen Gottheiten gerichtet, der Länge nach auf den durch Fußboden Heizung warmen Marmorboden, um dann beim Aufstehen noch einmal mit der Stirn den Boden zu berühren. Links und rechts im Götter Schaukasten stehen Sanyasin, die die Zimbeln und helle Glöckchen läuten als auch einen orientalisch bis afrikanisch anmutenden Wedel aus feinem, langem, weißem Haar an einem Silberknauf auf und ab schwenken. Die Aufgabe dieser Sanyasin ist es, die Gottheiten zu spreisen, ihnen also die spezielle Nahrung darzureichen. Auffällig war mir, dass im Anschluss nur die Männer unter den im Tempel Feiernden sich anstellten, aus silbernen Gefäßen gleichfalls ein Löffelchen süße Milch in den Handteller zum Aufschlürfen zu bekommen, um dann einen Schritt weiter zu einem Sanyasin mit Krug und Waschschale zu treten, so dass also die rituelle Handwaschung erfolgen kann, um dann vor einen dritten Sanyasin zu treten, der einen mit Jasminduft getränkten Stoffballen über den Handrücken reibt und zum Riechen anhält. Oft kam auch ein Sanyasin während der Rezitation vorüber und reichte eine Blume zum Riechen an die Nase. Die olifaktorische Anregung der Sinnlichkeit geht dabei Hand in Hand mit dem Singen, dem Chanten und Tanzen. Es wird sinnliche Lebensfreude generiert, die jedoch allein auf die anwesenden Gottheiten gerichtet bleiben soll, denn nicht nur Alkohol, Drogen und Spiel Genuss sind den Gläubigen untersagt, sondern auch sexuelle Kontakte außer sie dienen der Kindeszeugung, was doch sehr an die Doktrinen der katholischen Kirche erinnert, von der sich viele der Krishna Anhänger vordem abwandten. Gerade diese sexuelle Abstinenz steht im krassen Widerspruch zu den Radha- und Krishna Bildern, die ein jung verliebtes Pärchen zeigen und eigentlich doch als Vorbild fungieren.
 

Ein weiteres Ritual besteht darin, dass ein Sanyasin mit einem Messingtellerchen auf dem kleine, goldfarbene Öllämpchen entzündet sind von Person zu Person geht und diese entweder mit der Hand durchs Feuer streichen, um sich dann das Licht und die Wärme dieses Feuers übers Gesicht und Haupt zu streichen, manche beugen jedoch einfach nur kurz ihren Kopf vor, zumeist weil sie eine doppelseitige Trommel spielen oder Zimbeln in den Händen haben oder aber, weil es für diesen Moment wohl reichen soll. Schließlich geht ein Sanyasin mit einem kleinen Gefäß herum, tritt zumeist hinter die Personen und schüttelt Tropfen einer geheiligten Flüßigkeit im Gefäß über dem Haupt des nicht weiter darauf reagierenden Singenden aus. Es sind Darreichungen, die vor allem als Liebesdienste der Gottheit selbst aufgefaßt werden.

In Gesprächen erfuhr ich, dass es eine rege Vernetzung der Hare Krishna Zentren unter einander gibt. Feste werden gemeinsam vorbereitet und man fährt zur Unterstützung in andere Zentren der ISKON, der Internationalen Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein. Insbesondere jedoch scheint es häufigen Kontakt durch Reisen zum Hauptsitz der Hare Krishna Bewegung in Mayapur, Indien, zu geben. Dies erklärt auch das flüssig gesungene Sanskrit vieler Mönche und Sanyasin.

Außer der rituellen Zusammenkünfte zum Feiern der Gottheiten am frühen Morgen und Abend hörte und sah ich nichts weiter von Gesprächs- und Austauschrundenrunden. Vielleicht ist der Austausch über persönliche, politische und religiöse Angelegenheiten in spirituellen Gemeinschaften eher verpönt, wenn es dafür keine organisierten Plattformen im lebensalltäglichen Rhythmus gibt und dementsprechend beschränkt bleibt auf die freilich opulenten Gespräche beim Essen oder während der auf ökologische Nachhaltigkeit gerichteten Arbeit.

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