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Leipzig, IG Metall Ausbildungszentrum, 2018-04-18, DG
Das
Bundspräsidialamt als machtloses Epizentrum staatlich
sanktionierten Gesellschaftslebens wahrzunehmen,
unterschätzt zum einen eben dessen Wirkung, zum anderen
aber, insbesondere in der gegenwärtigen, politischen
Situation, lohnt es sich, einen Blick auf den feinen
Unterschied zwischen Staatsräson und Staatspolitik und
auf der anderen Seite das lebens- und arbeitsalltägliche
Regierungsgeschäft zu werfen. Mit Franky wurde
bekanntlich ein politisches Schwergewicht
Staatspräsident. Dass der vormalige Kanzleramtschef,
Aussenminister und SPD Kanzler-Kandidat nun mehr
überparteilich neutral wäre, nimmt niemand an. Wie weit
sind jedoch die Grenzen bis hin zum Amtsmissbrauch
zwecks Beförderung sozialdemokratischer Anliegen zu
dehnen? In einer Regierungskoalition mit zwei
rechtskonservativen Partnern, die, von rechts überholt,
um ihre Landesmehrheiten fürchten, erscheint es sehr
gewagt, wenn sich Steinmeier in der Funktion des
Bundespräsidenten müht, die alten Gräben zwischen
Gewerkschaften, insbesondere zwischen IG Metall und SPD
zu schließen.
Doch wenn mit ihm die SPD wieder fest an der Seite der
Mitarbeiter und ihrer Vertreter stehen soll, dann ist
das noch immer ein Freundschaftsspiel mit der Linken.
Das Buhlen um die Gunst der Gewerkschafter und
Arbeitnehmer-Vertreter ist nicht unbedingt
gleichzusetzen mit der Gunst der Arbeitnehmer und von
daher mit der Rückgewinnung der sozialdemokratischen
Basis. Die Gewerkschaften selbst haben den maßgeblichen
Einfluss auf ihr Klientel verloren. Dennoch, Franky
probiert es und versucht Aufmerksamkeit und Leben in die
verkrusteten Strukturen des linken
Überbaus der Gesellschaft zu bringen. Sein so
machtloses Staatspräsidentenamt gerät unter seiner
Ägide zur Speerspitze im Machtzentrum der um ihre
Mehrheiten fürchtenden Koalitionspartner CDU und
CSU. Vor allem aber avanciert seine
Ausstrahlungskraft zum unsichtbaren, leeren, in
der offiziellen Regierungsarbeit nicht
vorkommenden Gegenpol der Antipoden. Für sie kann
er das repräsentative Zentrum gegen die rechts-
bis deutschnationalen Politiken im Lande geben.
Es lag bestimmt an der Aufregung, an der Anspanung noch rechtzeitig zum Termin zu kommen, denn ich war gänzlich mit der Uhrzeit durcheinander. Hatte ich wirklich um 11:08h den Zug raus aus der Stadt zum Messegelände genommen? Wollte ich nicht den Zug um 12:08h nehmen? Jedenfalls war ich pünktlich trotz dessen, dass ich dieses enorm riesige Auto-Werk, mit dem Fahrrad von der Bahnstation kommend, umfahren mußte, um dann vom Haupteingang weiter geschickt zu werden zu einem anderen Gate und von dort schließlich zu einem außerhalb des Werksgeländes gelegenen, durchaus modernen Gebäude, in dem die Auszubildenden beheimatet waren. Währenddessen brummten zwei Helikopter über meinem Kopf zum Werksgelände. Zwar sah ich keine Hoheitsabzeichen, aber ich vermutete, es seien die Helis des Bundespräsidenten, den man samt Frau erst aus dem Schlosspark von Bellevue zur Vormittags-Veranstaltung nach Potsdam abholte und nun nach Leipzig flog. Es würde also in der Vorstandsetage der Leipziger Auto-Fabrik Gespräche mit Franky geben bevor der offizielle Rundgang durch das Ausbildungszentrum begann.
A la recherche du temps perdu, die Rekonstruktion anhand der abgestempelten Fahrkarte ergab eindeutig, ich hatte den Zug um 11:08h genommen. Ich war schlicht weg zu früh losgefahren, eigentlich jedoch genau richtig. Die unvorhergesehenen Umstände zeigten, die eine Stunde früher war nötig, um zeitig anzukommen und sich einzufinden.
Derart ist bei weitem nicht der Moment des Schreckens beschrieben, der mich durchlief als ich auf die Uhr schaute und feststellte, dass ich Zeit hatte und zwar, weil ich mich irrte. Mir fehlte eine Stunde. Für mich war es nicht 12:20, sondern inzwischen 13:20h, jedenfalls meinen Berechnungen, meinem Zeitgefühl, meiner Erinnerung nach. Entscheidend ist mir nun nicht die Rekonstruktion und Aufhebung dieses Irrtums, vielmehr was für Fantasien traten zu Tage angesichts dieses Bruchs in der normalen Abfolge zeitlicher Kontinuität? In dem Moment als ich auf meine SmartPhone Uhr guckte und realisierte, dass meine zuvor gehende Hetze, diese Angst, zu spät zu kommen zum Termin mit dem Staatschef, völlig abstrus war, durchfloß mich nicht nur ein Strom der Erleichterung. Ich fühlte mich vielmehr manipuliert. Offensichtlich hatte man mich nicht nur zu diesem staatstragenden Termin gehetzt, indem man mir vorgaukelte, es sei keine Zeit mehr und ich würde zu spät kommen, sondern nun mehr hatten "sie" meine SmartPhone Uhr umgestellt. "Sie" konnten nämlich auf meine Handyuhr zugreifen, "sie" konnten mich anhand dieses Gerätes nicht nur beobachten, sondern die technische Umwelt, in der ich mich befand, mir so erscheinen lassen als wäre keine Zeit mehr. Das Navi, die Uhr, ja, sogar die Uhren am Straßenrand, eben die digital steuerbare Umwelt meines subjektiven Erlebens steuerten "sie" von außerhalb. Wer das machte, die da oben, das war auch klar: Die Sicherheit, das Bundeskriminalamt im Verbund mit dem Bundesnachrichtendienst, sprich der Überwachungsstaat des neuen Heimatministers. Wahrlich, "sie" waren mächtig, groß und stark und ich nur ein fehlbares Menschlein in einer technisch vermittelten Umwelt, eben der Fahrer in einem modernen Auto-Cockpit.
Die Umkreisung des Auto-Werkes auf dem Fahrrad hatte mir in menschlichen Dimensionen körperlicher Erfahrung nicht nur die gigantischen Ausmaße dieser Produktionsstätte verdeutlicht, sondern derart die Auto- und Mobilitäts-Gesellschaft als solches. Die Straßen zogen sich schnurrgerade kilometerlang, ideal für das Befahren mit Autos und LKWs - für Menschen ohne Fahrzeug waren sie jedoch nicht gemacht, einfach zu überdimensioniert. Gleiches Phänomen fand sich in der städtischen Staatsarchitektur: Ausmaße, die auf dem Modellbrett übersichtlich erschienen, in Natura den Menschen aber erschlugen, weil sich Menschlein in ihr verlor und sich nichts von ihrer wie auch immer gearteten Gestaltung verdeutlichte.
Mithin, in dieser technisch vermittelten Mobilitätsgesellschaft war die Benutzung von Transport-Vehikeln unumgänglich, andernfalls befand man sich in einer anderen Dimension, vergleichbar mit der von Indianern am Straßenrand eines Highways auf dem der Strom der Wagen mehrspurig an ihnen vorüber zog.
Ohne Frage, Franky war der Präsident, seine Lebenspartnerin war hingegen nichts anderes als die Frau an seiner Seite und damit Basta! Weder gab die SPD noch das höchste Staatsamt es her, dass diesbezüglich eine Modernisierung möglich gewesen wäre. Eine Doppelspitze sah weder die Verfassung noch die parteiinternen Diskussionen vor. Es wäre zudem eine Frage der Personalkosten, müßte jedes Amt, jeder Posten, doppelt besetzt werden, schallte es vor allem aus traditionellen Arbeitgeberkreisen herüber. Die Doppelspitze, das praktizierten nur die Grünen. Ihr stagnierender Erfolg gab ihnen jedoch einfach nicht Recht.
Insofern war es also mehr als legitim, dass Franky beim Abschluss-Presse-Statement des bundespräsidialen Rundganges durch das Ausbildungszentrum das Wort ergriff und behielt, ja, Elke sogar über den Mund fuhr. Sie hatte einfach nichts zu sagen oder wenig, es war nicht ihr Job, aber seiner, sein Amt. Allerdings, Elke war mehr als nur selbstbewusst. Sie hatte eine Bildungs- und Berufskarriere hingelegt. Aus kleinbürgerlichen Verhältnissen kommend, hatte sie alle Stufen des Bildungssystems durchlaufen: Von der Volksschule zur Mittelschule, Berufsausbildung und anschließend ein Rechtsstudium, so dass sie als Richterin, nun mehr beurlaubt, als Lebenspartnerin an seiner Seite stand. Sie konnte reden, sie konnte die Dinge klar und präzise und dabei aus Sicht der Frauen sympathisch zusammenfassen und rüber bringen - sie ließ sich nicht den Mund verbieten und der Herr Bundespräsident war machtlos, er konnte sie allenfalls beim nächsten Mal zu Hause lassen. Insofern stellte sich aus parteiinternen Strategieüberlegungen heraus die Frage, ob ihr Franky politische Aufgaben übertragen konnte. Zumindest schien sie willig, mit einigem Verve und reichlich Vitalität bei der Sache, die doch eigentlich nicht die ihre war. Als Puppe, als Model, setzte sich die deutsche First Lady jedenfalls nicht in Szene, vielmehr als Mitglied der Bildungs- und Berufselite, die selbstverständlich zum gehobenen Einkommensmilieu der Grunewalder Villenszene zählte, wobei sie aus sich heraus die Zugehörigkeit zu dieser oberen Gesellschaftsschicht durch ihre gewählte Sprachlichkeit deutlich machte. Es ging ja auch nicht darum, sich den Leuten anzubiedern und sich gemein zu machen. Sowohl vom Einkommen und alltäglichen Lebensstandard als auch vom Bekanntenkreis her, hatte sie mit den besuchten Berufseinsteigern, Auszubildenden und Mitarbeitern des Autowerkes nichts zu tun. Nichts desto trotz vermittelte sie eine Begegnung auf Augenhöhe.
Witzig fand ich, wie die beiden, jeder für sich, in Kontakt mit den “Leuten” zu kommen versuchten. Als wetteiferten sie miteinander, wer mehr Augenkontakt, mehr persönliches bzw. berufsspezifisches Gespräch auf sich lenken konnte. War das nun eine lieblose, eigensüchtige, den anderen nicht wahrnehmende Konkurrenz um mediale Aufmerksamkeit oder aber war es das selbständige Nebeneinander eines modernen Ehepaares in ein und derselben Situation? Gute Frage, die an ein Tennismatch zwischen Mann und Frau erinnert bei dem es offensichtlich nicht um das Gewinnen nach Punkten geht, sondern um die Gunst des Publikums und den Spaß am Spiel.
Wenn mir bei dem Besuchsprogramm dieses technischen Ausbildungszentrums die Aufteilung in einen Frauenkreis und einen Gesprächskreis mit Franky gefallen hatte, so stellte sich schnell heraus, dass der Frauenkreis nicht nur aufgrund zahlenmäßiger Unterbesetzung zum Kaffeekränzchen eines Frauenprogramms herunter zu stufen war. Bei weitem war nichts von matriarchaler Gleichstellung zu spüren. Offensichtlich ließ die präsdiale Etikette diese nicht zu. Hingegen zeigte sich Frankys Gesprächskreis hochkaratig besetzt. Die sächsische SPD Größe Martin Dullig, ein noch jung wirkender Politiker in der noch immer Aufbau-Phase, der zwar schlank wirkte, dem aber eine Plautze anzusehen war, saß als Landesminister für Arbeit & Soziales neben Franky und gegenüber einem IG Metaller, der das Gespräch mit den jungen Ausbildungsvertretern vorbereitet hatte und nun moderierte. Ja, genau, das war SPD Politik aus den höchsten Gefilden des Bundespräsidialamtes herab. Amtsmissbrauch hieß es aus deutsch-nationalen Reihen, die anstatt des Besuchs der Gewerkschafter und Mitarbeiter-Vertreter einen Besuch ihres angestammten Klientels zu sehen wünschten. Als wenn Franky nicht auch auf dem Lande bei den Bauern, den Waldpächtern und Jägern Freunde hatte, ganz zu schweigen von Elke`s Freundinnen, den selbständigen Gattinnen, obwohl, zugegebener Maßen, es nicht so viele waren unter den eh wenigen in der Gesellschaftspyramide der oberen Kreise. Dort stand vielmehr der gemeinsame Besuch der Art Cologne im Terminkalender.
Franky warb
mit dieser Woche der Berufsausbildung klar für einen
Schulterschluss mit den Gewerkschaften. Das Zerwürfnis
der SPD mit den Gewerkschaften sollte ad acta gelegt
werden. Es galt, wieder zusammen zu finden. Nun gut, die
SPD konnte sich in ihrer Modernisierung unmöglich
verrenken. Ihr Ursprung und ihr Stammgebiet lag in der
breiten Masse der Beschäftigungsverhältnisse und nach
wie vor ging es ihr um die Verbesserung dieser
Arbeitsverhältnisse und zwar nicht nur in finazieller
Hinsicht durch höhere Tarifabschlüsse. Man hatte schon
längst im Willy-Brandt-Haus erkannt, dass Lebensqualität
nicht einzig an monetäre Steigerungen und auch nicht an
schlicht mehr Freizeit gebunden war. Es hatte ein
Umdenken stattgefunden, um nicht zu sagen es hatten
Lernprozesse eingesetzt, die die Reduktion der
sozialdemokratischen Identität auf die Berufs- und
Einkommensrolle nicht weiter hinnahmen. Das war ein
wesentlicher, ja, entscheidender Punkt, denn die
sozialdemokratische Identität stand vor dem Kollaps,
stand vor der Selbstauflösung. Dass Arbeit als solches
identitätsstiftend war, wurde zwar von niemandem in
Abrede gestellt, aber wer verfügte über die Macht, die
Modalitäten, die Verhältnisse der Arbeit zu bestimmen.
Und weiter, wer stellte den Einkommenserwerb durch eben
diese Arbeit sicher? Der Markt? Der Staat? Der Kunde,
also die Nachfrage? Oder etwa der Arbeitgeber? Oder
allein die Mitarbeiter? Wieso taucht da ein
ausschließlichendes Oder auf? Es konnte doch auch ein
Und sein, nämlich alle zusammen. Dazu brauchte es
Friede, Ruhe, Sicherheit, Ordnung und auf der anderen
Seite Geist, Inspiration, Kreativität, Lust, Energie und
vor allem dies, Liebe. Leidenschaft auch, also Sehnsucht
und Verlangen, Träume und Visionen von einer anderen,
besseren Welt an der wir alle arbeiten, mehr oder
weniger erfolgreich. Das war schon zu Oma´s und Opa's
Zeiten so, was denken läßt, nichts hat sich geändert,
insbesondere bei der SPD. Zu sehen ist das deutlich
anhand der Rolle der Frau. Sie kann zwar “einheiraten”
ins Amt und zwar aus steuerlichen Gründen als Partnerin
in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, aber das war
es dann auch schon, denn das Amt, die Position, die
Funktion ist zugeschnitten auf eine Person und nicht
zwei. Sie wird a priori nicht verstanden als ein
gemeinschaftlicher Arbeitszusammenhang, der sowohl eine
männliche als auch eine weibliche Seite hat. Das
Grundgesetz spricht zwar von Gleichberechtigung, § 3,2
GG, aber was das heißt und wie die aussieht und zwar
nicht nur in den Vorstandsetagen und im Präsidium des
Arbeitgeber-Verbandes, sondern ganz allgemein im
Berufsleben und Daheim, das ist ein Modus vivendi, den
jede Generation neu bestimmt in mehr oder weniger
liebevollen Auseinandersetzungen um Resourcen, Zeit,
Geld und Liebe. Insofern hat sich das moderne Leben
trotz aller erdenklichen, technischen Innovationen kaum
geändert seit Oma und Opa. Wie geht es denen eigentlich
heute, wo die geburtenstarken Jahrgänge vor den Toren
und Türen der Altersheime stehen? Zwar frage ich mich
gelegentlich, wie es mit meiner eigenen Rente ausschaut,
aber dass ich in ein Seniorenheim kommen könnte, liegt
mir fern. Ich mag mich damit nicht befassen. Wieso? Das
Alter, die Angst vorm Tod, vor Krankheit, vor Menschen,
die dabei sind alles zu vergessen und ich darunter.
Nein! Noch nicht! Eigentlich nie, nimmerniemals und
damit Basta!
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